søndag 15. juni 2014

Irland (IV)

Ein Reisebericht in vier Akten

Episode 4 - Sonntag, 8. Juni 2014
Der Sonntag beginnt deutlich später als die vorhergehenden Tage, aber schließlich sitzen wir auch an diesem Tag in der Hostelküche. Einen Gang weiter klopft ein verzweifelter Gast an die verschlossene Zimmertür und zum wunderbaren Geschrei von „Oooopen the fucking door! Ey! Open the door!“ gibt es auch an diesem Morgen Cornflakes, Milch und Tee.
Als ich mit Abwaschen fertig bin, und auf Kaline warte, spricht mich plötzlich ein älterer Mann an. Ravna hat das letzte Jahr in Norwegen verbracht und ist daher nicht mehr darauf eingestellt, dass völlig fremde Leute sie direkt ansprechen – daher zieht sie gekonnt anderthalb Augenbrauen hoch und stiert ihren Gesprächspartner mit einem Gesichtsausdruck aus „Häh?“, „Kannst du das nochmal langsamer sagen“ und „‘tschuldigung, aber die Wirkung des Koffeins hat noch nicht ganz eingesetzt“ an. Mein Gegenüber wiederholt seine Frage, allerdings scheint er meinen Gesichtsausdruck nur zur Hälfte richtig interpretiert zu haben – seine Frage kann sowohl „Are you on holiday?“ oder „Do you enjoy your holiday?“ sein. Um nicht völlig wie ein verschlafener, sozial inkompetenter Idiot dazustehen, bejahe ich seine Frage ganz einfach, bevor mich Kaline aus dem Gespräch erlöst.

Es ist 11:00 Uhr, aber Sonntag, weshalb wir mit dem heutigen Ausflug noch eine Stunde warten müssen. Diese verbringen wir mit einem Spaziergang durch Cork. Wir laufen mehrere Sakralbauten an, aber die sind des Wochentages wegen alle in Benutzung und wir wollen ja nicht stören. Ein paar Minuten vor zwölf stehen Ravna und Kaline dann ungeduldig vorm Buchladen und warten darauf, dass er öffnet. Beim Kauf von zwei Büchern bekommt man eins zum halben Preis, die Auswahl ist riesig und man soll ein Buch niemals nach seinem Umschlag beurteilen und so sind nach der Hälfte des Buchladens bereits zwei Stunden vergangen. Ravna reist zwar mit Handgepäck, aber ihre Bibliothek wird trotzdem um zwei weitere Bücher erweitert.
Nach dem Buchladenbesuch ist plötzlich zu wenig Zeit übrig und nachdem wir unser Gepäck im Hostel abgeholt haben, drehen wir auf halbem Weg zum Supermarkt wieder um, weil doch nur noch eine Viertelstunde übrig ist. Die Leute an der Busstation fragen sich sicher, wer das verrückte Mädchen ist, das aus dem Busfenster heraus Grimassen schneidet, während sich die Reisenden im Flughafenbus wundern, wieso ihnen jemand eine lange Nase zieht – tatsächlich sind es nur Ravna und Kaline, die sich voneinander verabschieden. 

Am Flughafen in Cork gibt es ein Wrap mit Hühnchen und bei der Sicherheitskontrolle muss ich plötzlich meine Kamera auspacken. Der Flug nach Amsterdam hat 20 min Verspätung und auch, wenn ich mit dem Prinzip des selbstbedienten Transferschalters nun vertraut bin, bin ich daher genauso nervös wie auf dem Hinflug. An der schipohler Sicherheitskontrolle  darf meine Kamera in ihrer Tasche bleiben, dafür muss ich nun die Schuhe ausziehen. Meine Frisur hat Kaline am Vortag noch als „löwenartig“ bezeichnet und tatsächlich ist mit-nassen-Haaren-zu-Bett-gehen, Regen, Wind und Haarband nicht unbedingt eine vorteilhafte Kombination, meine Socke hat zwei Löcher und mein Pulli einen Hühnchenwrapfleck, aber alle nennen mich „Madame“ und ich fühle mich gleich viel besser. Natürlich erreiche ich den Flug nach Bergen ohne Probleme. Meine Sitznummer ist 4C und nach Durchqueren der Businessclass stehe ich äußerst verwundert vor einen Sitz mit der Aufschrift „Economy Comfort“. Die beiden Damen mit den großen Taxfree-Tüten hinter mir müssen nun einige Momente warten, während ich verwundert von meiner Bordkarte zur Sitznummer und wieder zurück starre. Ich habe keinen Sitzplatz mit extra viel Beinfreiheit bestellt! Das kostet extra und bei anderthalb Stunden Flug und 162 cm ist das wirklich nicht nötig! Aber die Sitznummer auf meiner Bordkarte ändert sich nicht und so sitze ich in der erste Reihe und schaue durch einen Spalt im Vorhang dem Theater Business-Class beim Abendbrot zu, während mir ein faszinierendes Keksgebilde aus Pfefferkuchen und Karamell die Zähne verklebt.
In Bergen kommt der Flughafenbus rechzeitig, um halb zwölf liegt Ravna im Bett und am nächsten Tag ist Pfingstmontag – und im Küchenschrank gibt es Wasser und eine halbe Packung Haferflocken mit Rosinen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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