søndag 23. februar 2014

Zimmerblumengießkannenwetter mit Windeinschlag

Es regnet in Bergen. Was nach insgesamt 20 Monaten in der nassesten Ecke Europas nun wirklich keine Überraschung mehr sein dürfte. Mein immer noch stetig präsenter Drang, mit meinen Mitmenschen die unterschiedlichen Stadien von Nieselregen über Bindfäden bis Waagerecht-bei-100-Prozent-Luftfeuchtigkeit und die Häufigkeit ihres Auftretens zu diskutieren, zeigt vielleicht auch nur meine fortschreitende Verwandlung in einen Einheimischen. Denn egal, seit wie vielen Tagen es nun schon wieder Wetter gibt, eine Unterhaltung lässt sich darüber immer noch führen.
Letzten Montag schien beispielsweise vormittags die Sonne, als ich gerade in der Vorlesung über verschiedene Haltungen zum norwegischen Impfprogramm und deren kulturelle Ursachen und Wirkungen saß. Nach einigen langen Wochen voll grauer Wolken und künstlichem Licht war das eine wirkliche Abwechslung – bis der Dozent, dessen Kleidungsstil auf geradezu gruselige Weise dem meines Vaters ähnelt, die Vorhänge vorzog. Als ich nach zwei Stunden Vorlesung und zwei Stunden äußerst sinnloser Gruppenarbeit (das Prinzip Gruppendiskussion scheint in weiten Teilen der norwegischen Bevölkerung vor Aufnahme eines Studiums unbekannt zu sein) die Uni verließ, regnete es Stärke Zimmerblumengießkanne und als ich abends von einem verlängerten Tanzvereinabend mit Sahnetorte wiederkam, waren wir bei Stärke Gartengießkanne mit Schwung.
Am Dienstag und Mittwoch gab es blauesten Himmel und Sonnenschein und vor lauter Schreck über dieses ungewöhnliche Ereignis, verkroch sich Ravna ängstlich im nächstliegenden unterirdischen Parkhaus. Da fand nämlich eine Ausbildungsmesse statt, auf der auch YFU einen Stand hatte. Mit meiner grundlegenden Angst, fremde Menschen anzusprechen, bin ich sowieso schon die perfekte Besetzung für jegliche Art von Öffentlichkeitsarbeit – kombiniert mit der Tatsache, dass man in Norwegen ganz offensichtlich auch als Messebesucher viel daran setzt, Kontakt zu Fremden möglichst zu  vermeiden, waren die sechs Stunden Arbeit ein voller Erfolg.  Aber was tut man nicht alles für seine Lieblingssekte seinen Lieblingsverein.
Am Donnerstag waren wir zurück bei Zimmerblumengießkannenwetter mit Windeinschlag, am Freitag tröpfelte es so vor sich hin und übers Wochenende erreichten wir die Stufe Waagerecht-bei-100-Prozent-Luftfeuchtigkeit – was der größten regionalen Zeitung der Gegend tatsächlich einen Artikel wert war: „Es war das Wochenende, an dem die Regenschirme starben“.
Es war auch das Wochenende, das Ravna endlich einmal wieder in ihrem Museum verbringen durfte. Die Wetterlage trieb verzweifelte Spanier in durchweichten Daunenjacken und komplett in Gore-Tex gewickelte Niederländer scharenweise zu uns und hätten wir statt Archäologie Gummistiefel zu vermarkten, wäre es das umsatzreichste Wochenende des Jahres geworden.

Nächste Woche sind Winterferien, allerdings nur für eines von zwei Fächern und auch nicht offiziell. Auf Universitätsnorwegisch heißt das nämlich Lesewoche. Klingt ja auch viel akademischer und es ist ja nicht so, dass man bei sechs Stunden Vorlesung die Woche sonst zu wenig Zeit hat, in seine Bücher zu gucken.

Ansonsten semestert das Semester so vor sich hin und Spotify spielt gerade einen Werbespot für ein Gewinnspiel, bei dem man seinen Kopf in 3D drucken und in Oslo ausgestellt bekommen lassen kann - wer will denn sowas?