Es ist Heiligmorgen. Der Weihnachtsbaum der Familie H. ist
schon seit einer Woche geschmückt, die Würstchen liegen im Kühlschrank und die
Plätzchen in der Keksdose. Ravna sitzt nach ihrer Mini-Besuchstour durch
Deutschland und Österreich (über die an anderer Stelle berichtet werden soll
sie bisher aus Faulheit nichts geschrieben hat) im Schlafanzug und ohne Brille
am Küchentisch und schlabbert Schokoladenmüsli. Sie könnte einen Kaffee
vertragen, aber ihre Eltern haben seit Ravnas Auszug ihre linksökologische,
irgendwie niedliche Spießigkeit zu neuen Höhen getrieben, und sich eine
Kaffeemühle gekauft, deren Bedienung ihr ein Rätsel ist.
Pünktlich vor dem Mittagessen kommen die Großeltern, und
dann machen wir es uns gemütlich. Ravna hat vor lauter Eifer beim Abwaschen die
zusätzliche Brühe für die Mittagssuppe im Abfluss verschwinden lassen, daher
gibt es Nudelbrei mit Möhren und Hühnerfleisch, und Oma hat einen Obstsalat mit
Quarkkrem aus dem Land der beigen Rentner mitgebracht, der unter anderem
dezemberfrische Himbeeren enthält. Wir essen sonst nie Kompott, sagt Mama. Aber
es ist ja Weihnachten, sagt Ravna. Und gemütlich. Ravnas Papa hat einen Auftrag
als Weihnachtsmann, die Großeltern sitzen im Wohnzimmer, und weil man bei
Familie H. selbst bei Gesprächen übers Wetter an Weihnachten irgendwann einer
Armee von Fettnäpfchen gegenübersteht, geht Ravna in ihr Zimmer. Und wischt und
saugt nach anderthalb Jahren endlich einmal wieder ordentlich Staub. Hatschie!
So sauber war es im Wäschezimmer ihrer Eltern sicher seit langem nicht mehr.
Die Großeltern sitzen im Wohnzimmer unterm Weihnachtsbaum (Same
tree as every year: unten zu buschig, oben zu kahl und rundherum viele Kringel.
Und nur rote Kugeln!), Mama schmeißt eine Weinflasche runter, irgendwann gibt
es Würstchen mit selbstgemachtem Kartoffelsalat aus selbstgekauftem
Fleischsalat (oder salladdd, wie man im Land der beigen Rentner sagt) und dann
eine Schöne Bescherung. Ravna verschenkt schon seit Jahren selbstgeklebte
Fotokalender und seit ebenso vielen Jahren liegen auf ihrem Bunten Teller
Lebkuchen und Dominosteine, von denen sie nach drei Monaten Adventszeit doch
nun wirklich genug hat. Die entfernte Verwandtschaft und Bekanntschaft beschenkt
die außerhalb der EU-Grenzen lebende Studentin mit allerlei Euroscheinen in
verschiedenen Farben und dann ist Heiligabend auch schon fast wieder vorbei.
Früher war irgendwie mehr Lametta.
Am nächsten Tag kocht Papa Ente, wir machen einen
Familienausflug und besuchen eine Wikingerausstellung, die Quarkkrem mit
Obstsalat wird alle und Oma ist froh, dass es zumindest YFU gibt, da trifft
Ravna in Norwegen ja wenigstens mal ein paar Leute.
Da sie ja in den Vorlesungen, beim Tanzen und auf Arbeit nie
einer Menschenseele begegnet, ist das wirklich ein Glück.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag fahren die Großeltern zurück
zu den beigen Rentnern und die Familie H. auf die Halbinsel Eiderstedt, wo es
viel Wind, viel Watt, wenige Leute, kommunistische Kängurus und guten Fisch
gibt und das ist fast noch besser als viel Lametta. Und zwei Wochen darauf
steht Ravna wieder im Regen zwischen den Sieben Bergen und außer den sieben
Zwergen gibt es ja zum Glück zumindest noch YFU. Und wenn sie noch nicht ganz vereinsamt ist
(oder vielleicht gerade dann) wird sie das nächste Mal auch nicht beim Datum
schummeln müssen, weil sie die Veröffentlichung ihres Blogeintrages vergessen
hat.