torsdag 15. januar 2015

Früher war mehr Lametta

Es ist Heiligmorgen. Der Weihnachtsbaum der Familie H. ist schon seit einer Woche geschmückt, die Würstchen liegen im Kühlschrank und die Plätzchen in der Keksdose. Ravna sitzt nach ihrer Mini-Besuchstour durch Deutschland und Österreich (über die an anderer Stelle berichtet werden soll sie bisher aus Faulheit nichts geschrieben hat) im Schlafanzug und ohne Brille am Küchentisch und schlabbert Schokoladenmüsli. Sie könnte einen Kaffee vertragen, aber ihre Eltern haben seit Ravnas Auszug ihre linksökologische, irgendwie niedliche Spießigkeit zu neuen Höhen getrieben, und sich eine Kaffeemühle gekauft, deren Bedienung ihr ein Rätsel ist.
Pünktlich vor dem Mittagessen kommen die Großeltern, und dann machen wir es uns gemütlich. Ravna hat vor lauter Eifer beim Abwaschen die zusätzliche Brühe für die Mittagssuppe im Abfluss verschwinden lassen, daher gibt es Nudelbrei mit Möhren und Hühnerfleisch, und Oma hat einen Obstsalat mit Quarkkrem aus dem Land der beigen Rentner mitgebracht, der unter anderem dezemberfrische Himbeeren enthält. Wir essen sonst nie Kompott, sagt Mama. Aber es ist ja Weihnachten, sagt Ravna. Und gemütlich. Ravnas Papa hat einen Auftrag als Weihnachtsmann, die Großeltern sitzen im Wohnzimmer, und weil man bei Familie H. selbst bei Gesprächen übers Wetter an Weihnachten irgendwann einer Armee von Fettnäpfchen gegenübersteht, geht Ravna in ihr Zimmer. Und wischt und saugt nach anderthalb Jahren endlich einmal wieder ordentlich Staub. Hatschie! So sauber war es im Wäschezimmer ihrer Eltern sicher seit langem nicht mehr.
Die Großeltern sitzen im Wohnzimmer unterm Weihnachtsbaum (Same tree as every year: unten zu buschig, oben zu kahl und rundherum viele Kringel. Und nur rote Kugeln!), Mama schmeißt eine Weinflasche runter, irgendwann gibt es Würstchen mit selbstgemachtem Kartoffelsalat aus selbstgekauftem Fleischsalat (oder salladdd, wie man im Land der beigen Rentner sagt) und dann eine Schöne Bescherung. Ravna verschenkt schon seit Jahren selbstgeklebte Fotokalender und seit ebenso vielen Jahren liegen auf ihrem Bunten Teller Lebkuchen und Dominosteine, von denen sie nach drei Monaten Adventszeit doch nun wirklich genug hat. Die entfernte Verwandtschaft und Bekanntschaft beschenkt die außerhalb der EU-Grenzen lebende Studentin mit allerlei Euroscheinen in verschiedenen Farben und dann ist Heiligabend auch schon fast wieder vorbei. Früher war irgendwie mehr Lametta.
Am nächsten Tag kocht Papa Ente, wir machen einen Familienausflug und besuchen eine Wikingerausstellung, die Quarkkrem mit Obstsalat wird alle und Oma ist froh, dass es zumindest YFU gibt, da trifft Ravna in Norwegen ja wenigstens mal ein paar Leute.
Da sie ja in den Vorlesungen, beim Tanzen und auf Arbeit nie einer Menschenseele begegnet, ist das wirklich ein Glück.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag fahren die Großeltern zurück zu den beigen Rentnern und die Familie H. auf die Halbinsel Eiderstedt, wo es viel Wind, viel Watt, wenige Leute, kommunistische Kängurus und guten Fisch gibt und das ist fast noch besser als viel Lametta. Und zwei Wochen darauf steht Ravna wieder im Regen zwischen den Sieben Bergen und außer den sieben Zwergen gibt es ja zum Glück zumindest noch YFU.  Und wenn sie noch nicht ganz vereinsamt ist (oder vielleicht gerade dann) wird sie das nächste Mal auch nicht beim Datum schummeln müssen, weil sie die Veröffentlichung ihres Blogeintrages vergessen hat.