onsdag 10. desember 2014

Kaninchenblick und Milchreisessen

Oh, du schöne Weihnachtszeit! Es ist Dezember, und wieder einmal erreichen mich diverse Nachrichten aus Deutschland, ob es denn hier nicht furchtbar dunkel sei, und wieviel es denn schon geschneit habe. Es ist dunkel, aber nicht furchtbar, und als ich vor anderthalb Wochen Prüfungen hatte und morgens püntklich um 8:00  Uhraus dem Haus gegangen bin, habe ich jeden Tag die Sonne aufgehen sehen können, wenn ich aus der Bahn stieg. Das erste Mal, seit ich Anfang Juni um 4:30 Uhr auf den Bus zum Flughafen wartete, um nach Irland zu fliegen. Inzwischen sieht es mit Sonnenaufgängen allerdings eher schwarz grau aus, denn seit Montagabend ist es nass und stürmisch und in regelmäßigen Abständen gibt es Hagel und Blitze.
Seit dem 1. Advent sind für mich Weihnachtsferien, aber zuvor mussten wieder einmal Prüfungen geschrieben werden, und dieses Semester hielt für Ravna wieder einmal eine besondere Hürde bereit – eine mündliche Prüfung! Das erste und bis dahin einzige Mal, dass Ravna an einer mündlichen Prüfung teilgenommen hat, war fürs Abitur und verglichen mit allen anderen Abiprüfungen war das eine ziemliche Katastrophe. Politische Bildung war eigentlich immer mein Fall, aber in dieser einen halben Stunde hätte man meinen können, sie hätten mir aus Versehen die Physikaufgaben hingelegt, soviel hatte ich (nicht) zu sagen. Diesmal ging es um den Gebrauch der Vergangenheit in der Gegenwart, um das Verhältnis zwischen Erinnerung und Geschichte und Kulturdenkmäler und Museen und andere staubige und furchtbar interessante Dinge, und mir graute davor. Wir hatten zuerst eine Hausarbeit geschrieben, und jetzt sollten wir jeder eine halbe Stunde Fragen dazu beantworten! Ich sollte Angesicht zu Angesicht mit den Leuten reden, die meine Hausarbeit gelesen und bewertet hatten! Wo ich doch sonst meine Klausuren und Arbeiten nur beruhigt abgeben kann, weil ich weiß, dass nie jemand erfahren wird ,dass sie von mir geschrieben wurde und  die Note dann irgendwann einfach im Internet auftaucht, ohne, dass jemand mich zuordnen kann. Und jetzt sollte ich darüber reden, mit Leuten, die teilweise die Literatur geschrieben hatten, die ich verwendet habe. Hilfe!  
Und es war die reinste Katastrophe. Ravna wollte auf gar keinen Fall ein  Glas Wasser, weil das nur der Schwerkraft zum Opfer gefallen wäre, aber die Erklärung, dass ihr immer die Hände zittern, wirkte angesichts ihres besten Kaninchen-vor-der-Schlange-Blick wohl nicht besonders überzeugend. Sie stotterte sich also durch zwanzig Minuten, und bis auf die glorreiche Antwort „Wie jetzt, einfach so  puff?“ auf die Frage, was sie denn zum Thema Tradition und Modernität zu sagen habe, war es wirklich nicht lustig – aber die beiden Prüfer müssen Mitleid gehabt haben oder waren nach einem Tag voll mündlicher Prüfungen auch nicht mehr so ganz bei der Sache, denn notenmäßig war es dann gar nicht so schrecklich. Jetzt muss ich nur noch das Studienfach wechseln, damit ich den beiden nie wieder in die Augen sehen muss. Die sechsstündige Klausur am Tag danach war weitaus mehr nach Ravnas Geschmack und lieferte zudem das gleiche Ergebnis für weitaus weniger Unwohlsein. Wieso ich eigentlich als Tourguide arbeiten kann, ist mir ein Rätsel. Reden! Mit fremden Leuten!

Aber nun sind alle Prüfungen geschrieben und die Zeit vergeht vor allem mit Milchreisessen auf diversen Weihnachtsfeiern. Beim Tanzverein, im Wohnheim, mit YFU - überall wird gemeinschaftlich Milchreis gegessen, und wer eine Mandel in seiner Portion entdeckt, gewinnt ein Marzipanschwein. Wenn der Veranstalter etwas mehr Geld hat, etwa ein Arbeitgeber, gibt es auch richtiges Essen. Das nennt man dann "Julebord", also Weihnachtstisch, und weil da manchmal sogar der Alkohol gratis ist, überschwemmen nun jedes Wochenende in den Nächten stark angeheiterte Personen über 40 das Stadtzentrum und benehmen sich genau wie die neuen Studenten während der Erstiewoche, über die sie ein halbes Jahr früher noch entsetzte Leserbriefe in die Zeitung gesetzt haben. 
Ansosnten bin ich momentan vor allem faul - meine Gastschwester hat mich vor eine neue Fernsehserie gesetzt, im nächsten Semester habe ich ein Fach, für das ich sechs richtige Bücher lesen kann und wenn mir nicht vor einer halben Stunde meine letzte Nadel unterm Sofa verloren gegangen wäre, könnte ich auch vor Weihnachten noch mit einer Stickerei fertig werden. Und ich habe sogar mein Färöischbuch wieder einmal angeguckt. Am Samstag ist Weihnachten, weil wie jedes Jahr nicht die ganze (Gast)familie an Heiligabend in Norwegen ist und wir Weihnachten daher vorziehen, und am Sonntag fliege ich nach Berlin. Wenn uns der Sturm nicht vorher noch irgendwo anders hinpustet.

torsdag 30. oktober 2014

Harry Potter und die Entzauberung der Welt

Im Jahre 1692 trat das Internationale Abkommen zur Geheimhaltung der Zauberei in Kraft. Über Jahrhunderte hinweg war die magische Gemeinschaft ein natürlicher Teil der Muggelwelt gewesen – doch angesichts der wachsenden Bedrohung durch Hexenprozesse und –verfolgungen, die zunehmend auf dem Scheiterhaufen endeten, entschied man sich, diese Welt zu verlassen und in den Untergrund zu gehen.
Magie war über Jahrhunderte ein natürlicher Bestandteil des Alltagslebens. Magische Gegenstände – Fensterblei aus Kirchenfenstern, Steine vom Friedhof oder getrocknete Bärenkrallen schützten vor dem Bösen oder erleichterten Geburten und heilten Krankheiten. Magische Rituale wie etwa Bleigießen halfen, die Ursache diverser Leiden zu finden und manche Menschen waren in der Lage, alleine durch boshafte Gedanken Unglück und Krankheiten über Mensch und Tier zu bringen.  Man lebte in einer magischen Welt und Magie beeinflusste die Vorstellungen, die man über Ursache und Wirkung diverser Handlungen und Situationen hatte.
Mit den richtigen Kenntnissen konnte man Kranke behandeln – etwa durch Anwendung spezieller Salben in Verbindung mit dem Lesen von magischen Formeln und Bibelzitaten, oder man konnte Amulette herstellen, die Neugeborene vor dem Einfluss böser Mächte schützen. Wirkte ein Zauber einmal nicht, lag dies nicht an der Abwesenheit der Magie – derjenige, der versuchte, sie zu nutzen, war vermutlich nicht genau oder nicht stark genug.
Es ließ sich natürlich nicht jede Krankheit fortzaubern – manchmal war eine Krankheit auch eine Strafe Gottes, oder ein Toter fühlte sich von seinen noch lebenden Verwandten falsch behandelt.
Aber etwa 150 Jahre vor Inkraftreten des Geheimhaltungsabkommens begannen Teile der nicht-magischen Bevölkerung, sich gegen ihre magischen Nachbarn zu wenden. Während es für den Mann auf der Straße einen deutlichen Unterschied zwischen weißer und schwarzer Magie gab, zwischen denen, die Kranken halfen und denjenigen, die mit bösen Absichten Krankheit und Tod über ihre Nachbarn brachten, wandten sich Kirche und Justiz vielerorts gegen jegliche Form von Magie. In Norwegen trat 1592 ein Gesetz in Kraft, das die Anwendung von Magie bei Todesstrafe verbot. Nicht etwa im dunklen Mittelalter, sondern in der Zeit zwischen Kopernikus und Newton, folgten eine Reihe von Hexenprozessen, die für einige Angeklagte auf dem Scheiterhaufen endeten.
Besonders nach der Reformation, die für die norwegischen Muggel eine von außerhalb und vor allem von oben durchgeführte, tiefgreifende Änderung war und gerade in den Anfängen zu vielen religiösen Unsicherheiten führte, wurden Hexen teilweise recht systematisch verfolgt. Die neue Lehre stritt die Existenz von Magie nicht ab, wie es heute für viele Muggel der Fall ist – aber sie nahm an, dass jegliche Anwendung von Magie immer und stets auf den Teufel zurückzuführen sei und damit verboten gehöre. Man glaubte weiterhin an die Existenz von Magie, allerdings ging man nun davon aus, dass kein Mensch selbstständig magische Handlungen ausführen könne – dies war nur möglich, wenn er oder sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Gleichzeitig öffneten die neuen Gesetze Möglichkeiten, unliebsame Nachbarn der Zauberei anzuklagen und sie damit aus dem Weg zu schaffen und im Laufe der Jahre wurden neben einigen Hexen, die tatsächlich mit schwarzer Magie ihren Muggelnachbarn zu schaden suchten, auch eine Reihe Unschuldiger angeklagt und verurteilt. Während in höheren Kreisen der Muggelgesellschaft der Glaube an die Existenz von Magie nach dem Inkrafttreten des internationalen Geheimhaltungsabkommens bald als Aberglaube abgeschrieben wurde, hielt er sich in weiten Teilen der norwegischen Bevölkerung noch weit bis ins 19. Jahrhundert und endete erst, als die Muggel mit Erfindungen wie Ecklecktrizität und Antibaotikas lernten, ihre Probleme selbst zu lösen.
Ravna schreibt bald Prüfungen. Ganz ohne die Hilfe von Erinner-michs oder selbstkorrigerender Tinte. Während sie für die tatsächliche Existenz des Internationalen Abkommens zur Geheimhaltung der Magie keinerlei Quellen vorzuweisen hat, ist der Rest viel weniger Humbug, als man vielleicht glauben möchte. Hexenprozesse handeln für uns heute um die unrechtmäßige Verfolgung unschuldiger Frauen, die in ihrem Lokalmilieu unbeliebt waren oder mächtigen Männern zu viel Macht hatten. Aber die tatsächlich an den Hexenprozessen Beteiligten – Richter, Zeugen, Ankläger und Angeklagte – glaubten an die Existenz von Magie. Nicht alle waren davon überzeugt, manche Frauen könnten tatsächlich auf ihren Dienstmädchen an Weihnachten zum Hexensabbat mit dem Teufel reiten und viele Angeklagte waren unschuldig – aber innerhalb des magischen Weltbilds der Zeit ist es durchaus möglich, dass manch ein Richter angesichts der vorliegenden Beweise von der Schuld der Angeklagten überzeugt war, oder das manch einer tatsächlich glaubte, seinen ungeliebten Nachbarn verhexen zu können – und wenn er dann einen Versuch unternahm, war er dann tatsächlich noch unschuldig?

fredag 17. oktober 2014

Das blaublaue Paradies



Es ist über ein Jahr her, da wählte sich Norwegen eine blau-blaue Minderheitsregierung. Und nun hat ebendiese Regierung  ihren ersten eigenen, den Haushaltsplan für 2015, vorgestellt.
Wie jeder deutsche Fischtourist weiß, ist Skandinavien im Allgemeinen, und Norwegen im Besonderen, ein rosarotes Paradies auf Erden. Alle verdienen genug Geld im reichsten Land der Erde, es gibt Kindergartenplätze für jeden über 1, Bildung ist kostenlos, die Gleichstellung nahezu perfekt, und am Wochenende fahren alle glücklich und zufrieden zu ihrer Hütte in den Bergen und verbringen ihre Freizeit in Wanderstiefeln und mit Herzhäuschen im Garten.
Natürlich ist nicht alles rosarot im Paradies (das wäre, ganz ehrlich, auch nicht unbedingt eine erstrebenswerte Farbgebung). Aber der neue Haushaltsplan ist ein einziges, blaues Wunder. Unteranderem gibt es weniger Vermögenssteuer für Leute mit viel Vermögen. Und eine Reihe von Kürzungen, um Leute, die eine Arbeitsunfähigkeitsrente beziehen, wieder in Arbeit zu bekommen. Und eine Budgetkürzung für Universitäten und Hochschulen, die diese in eigener Verantwortung ausgleichen dürfen – indem sie von nicht-norwegischen Studenten aus nicht-EU-Ländern Studiengebühren einfordern.
Blau ist nicht gleich grün und angesichts der angenehm warmen Temperaturen diesen Sommer lässt sich ja auch absehen, dass die Treibhausgasemissionen aufgrund von Flügen in den Süden bald rapide abnehmen werden – die Palmen werden direkt auf Bryggen wachsen! Warum dann also jetzt Geld für Klimaschutz verwenden, wenn man damit Straßen bauen kann?
Nun ist es ja eine Minderheitsregierung, und die beiden Parteien, die sich vor einem Jahr bereiterklärt haben, das blaublaue Wunder zu unterstützen, werden kaum ohne Debatten und Justierungen dafür stimmen, aber trotzdem. Wunderbar.
Nebenher war Ravna fünf Tage lang auf Varaldsøy im Hardangerfjord. Eigentlich sollte sie nur vier Tage bleiben und am Sonntag arbeiten, aber wenn man den Fährfahrplan falsch liest und dann eine Stunde zu spät am Kai steht, dann muss man halt noch einen Tag bleiben. Oder schwimmen. So ist das halt, wenn man ein Trottel ist. 







lørdag 4. oktober 2014

Hexen und Touristen

Wo Ravna jetzt wohnt
Im September hatte Ravna viel zu viel zu tun, um von sich hören zu lassen. Oder vielleicht ist auch einfach überhaupt nichts passiert. Oder vielleicht  .... ganz vielleicht ... also, eher nicht, aber eventuell ... war sie einfach viel zu faul zum Schreiben. Was, wie diejenigen, die Ravna auch außerhalb des zwischennetzlichen Lebens kennen, eher unwahrscheinlich ist. Aber man weiß ja nie!
 
In Bergen hat der jährliche Regenschauer begonnen, es ist windig, allerdings noch nicht kalt, und deswegen hat sich Ravna diese Woche passend zum Wetter ersteinmal ein Fahrrad zugelegt. Da das Studentenwerk momentan lieber die Wände im Treppenaufgang pink und lila streichen lässt, anstatt den seit  Jahren versprochenen neuen Fahrradunterstand zu bauen, ist esl auf dem Balkon eingezogen.

Woran Leute denken...
An der Uni geht es dieses Semester um Hexenprozesse und die Vergangenheit in der Gegenwart. Frühe Vorfahren der Kulturwissenschaftler führten Forschungsinterviews über den Teufel  - an Forschungsethik hatte man nur noch nicht gedacht, deswegen konnte die Durchführung für die Informanten mitunter unangenehmt werden, erzählt uns unsere Dozentin. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich mich in eine direkte Linie zu diesen historischen Personen der Vergangenheit stellen möchte, um mir in der Gegenwart eine Identität als Kulturwissenschaftler zu schaffen, auch wenn es in unserem Jahrhundert offensichtlich einen religiös anmutenten Hang zu Kulturerbe und Ahnenkunde gibt. Nebenher nehme ich jede Woche einmal zwei Stunden lang Wörter außeindander und hoffe, dass mein Vordermann in der Bahn nicht nass wird, während ich den Unterschied der Ausprache des ersten Lauts in "the" und "theater" zu ergründen versuche.

... wenn Ravna "aus Berlin" kommt.
Das Herbstsemester ist fast einen ganzen Monat kürzer als das Frühlingssemester und in sechs Wochen fängt schon die erste Prüfung an. Wäh! 

Der September ist auch der Monat, in dem Ravna jedes Jahr näher an die ersten Falten heranschreitet, und da dieses Ereignis traditionell mit Quarktorte ohne Boden gefeiert wird, nahm sie ein Flugzeug nach Berlin, um Kuchen zu essen, ins Theater zu gehen und ein paar Tage ihre Eltern fürs Mittagessen zahlen zu lassen.


Wo Ravna eigentlich herkommt
Und am heutigen Wochenende hat Ravna zum ersten Mal eine Schicht im Museumskafè gearbeitet - das Brot ist nicht angebrannt, die Kasse stimmte und alle Teller sind noch heile; die ersten zwei Waffeln sind allerdings auseinandergefallen und dem Touristen, der seinen Rucksack mit kleinen Kaffeesahnepäckchen auffüllte, als er meine Augen auf den Waffelteig geheftet wähnte, habe ich seinen Glauben gelassen. Was sagt man auch zu sowas?

tirsdag 26. august 2014

Vit síggjast!

Die drei Wochen auf den Inseln voller Schafe und netter Leute sind vorbei, und plötzlich sitzt Ravna wieder in Bergen. Unter ihrem Regenschirm.
Plötzlich verstehe ich im Bus wieder, worüber sich die Damen vor mir unterhalten, im Supermarkt gibt es kein vernünftiges Brot mehr (es hat auch seine Vorteile, zu Dänemark zu gehören) und nirgendwo stehen mehr ausländische Autos mit Ferngläsern und zugehörigen Sea-Shepherd-Aktivisten darin.
Und die 28 furchtbar netten Fremden, mit denen ich die letzten drei Wochen verbracht habe, sind auch alle nicht mehr da.
Wenn die Färöer Inseln doch nur auf dem Weg nach irgendwohin lägen, es wäre so viel einfacher, bald wieder einmal hinzufahren.

Am Samstag haben wir eine Abschlussprüfung geschrieben. Da unsere Lehrerin ja ungefähr drei Viertel der Dinge, über die wir gesprochen hatten, von vornherein für zu kompliziert für uns erklärt hatte und der einzig wichtige Satz auf Färöisch sowieso „Ohjaaa, ha?“, ist, war ich nach gut 30 Minuten fertig. Und sah mich leicht verzweifelt und verstohlen um, ob ich irgendetwas völlig falsch eingeschätzt oder vergessen hatte, denn es machte niemand Anstalten, abzugeben. Nach fünf weiteren Minuten kam der Leiter des gesamten Kurses in den Raum gestürmt, und verlangte mitten in der Prüfung den Schlüssel für die Schule zurück, der sich drei Wochen lang in meinem Besitz befunden hatte (Ohne, dass ich ihn ein einziges Mal verlegt hatte! Was zugegebenermaßen auch daran liegen könnte, dass ich ihn ganz einfach nicht ein einziges Mal verwendet hatte.) Nach fünfzig Minuten gab endlich der erste seinen Test ab, was zu allgemeinem Stuhlbeinscharren führte – im Nachhinein stellten wir fest, dass wir alle seit einer halben Stunde nur aufeinander gewartet hatten.  Die andere Klasse brauchte etwas länger – immerhin verlangte ihr Examen, eine Zeichnung Paul Watsons (die natürlicherweise in keinster Weise auf dessen Namensvetter zurückzuführen war).

Am Abend gab es ein Drei-Gänge-Menü mit Fisch, Schaf, Kartoffeln, brauner Soße und Rhabarberkuchen und färöischem Kettentanz. Das machen wir in Norwegen auch manchmal, nur irgendwie fehlt den Norwegern der richtige dramatische Einschlag. 

Der Flug am nächsten Tag ging um 16:35 Uhr, und da der Bus viel zu früh ging, verbrachten wir noch beinahe 3 Stunden auf dem ruhigsten internationalen Flughafen der Welt – auf dem wir sogar das Gepäck unbeaufsichtigt vor dem Check-In-Schalter stehen ließen, weil der noch nicht offen hatte.  Sobald er öffnete, bildete sich davor eine lange Schlange dänischer Rentner. Obwohl ich seit eines Zwischenfalls mit einer Busreisegruppe, meinem Fuß und der Schlange vor der Damentoilette einer Autobahnraststätte vor etlichen Jahren eigentlich einen gesunden Respekt vor in Rudeln auftretenden Repräsentanten der älteren Generation habe, kam ich dieses Mal mit meinem Fuß gegen den Koffer einer pinken dänischen Lady, als ich versuchte, dem Koffer einer anderen, eher grünen Lady auszuweichen. Während ich noch verzweifelt mein Gleichgewicht suchte, stieß mein anderer Fuß ebenfalls gegen den Koffer der pinken Lady – und die drehte sich um, rümpfte auf äußerst unladyhafte Art und Weise ihre Nase und fragte: „Trittst du mich?“ (oder zumindest glaube ich das, bei den Dänen und den vielen fehlenden Buchstaben kann man ja nie wissen.) Ich hätte ihr ja äußerst gern meine Meinung gesagt, am liebsten auf Färöisch, aber Ravna ist ja bekanntermaßen lieb und nett und mimte das Mäuschen vor der Schlange. Entschuldigen Sie vielmals, ich wollte das nicht, ich bin nur gestolpert! 

Ich saß leider auf der linken Seite des Flugzeuges, wodurch mir der Blick auf mein nächstes Reiseziel leider versperrt blieb (Na, wo soll es hingehen?) und zu Essen wurde Sushi serviert, was für zitterhändige Tollpatsche einfach kein geeignetes Flugessen ist.
Nach einem diesmal kurzen Stopp in Kopenhagen ging es nach Bergen – und plötzlich saß ich auf Platz 1B! Ganz vorne! Da, wo man sein Gepäck nicht unter den Sitz des Vordermannes stellen kann! Zwischen einem sehr geschäftigen Geschäftsmann und einem nicht ganz so geschäftigen anderen Mann. Offensichtlich hatte mir mein sündhaft teures Atlantic Airways Ticket im von SAS bedienten Anschlussflug einen Premiumplatz beschert. Ich hätte mir, wie der geschäftige Geschäftsmann, ein Bier und eine Flasche Wein bringen lassen können. Oder, wie der nicht ganz so geschäftige Mann, eine Packung Chips und zwei Cola. Nur Ravna hat noch nie vorher in ihrem Leben ganz vorne im Flugzeug gesessen. Und wusste nicht, wo man da den Tisch ausklappt. Und da sie ein nervöser und schüchterner Tollpatsch ist, hat sie sich deswegen lieber ganz tief in ihrem neuen Wollpulli vergraben und hinter ihrem Buch versteckt und nichts bestellt.