onsdag 21. mai 2014

Glückwünsche

"Ich will ja nicht frech sein, aber es sah gerade so aus, als ob du dir einen Teebeutel in die Hosentasche gesteckt hättest."  Na fein gemacht, Ravna!

Es ist nie nett, in irgendeiner Form unrechtmäßig beschuldigt zu werden, aber ich frage mich doch auch, ob tatsächlich jemand auf die Idee kommen würde, einen Tee zu bestellen und zu bezahlen und dann heimlich einen zweiten Teebeutel einzustecken.
 Und ich werde nie wieder kuhl die Hände in die Hosentaschen stecken, während ich auf mein Teewasser warte.

Wie auch immer, letzten Samstag ist die norwegische Verfassung 200 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch!







torsdag 8. mai 2014

Fremde Welten


Taxifahren ist luxuriös und teuer (besonders in Norwegen), die meisten Fahrer sind unfreundlich (in Berlin sowieso) und fahren Leute durch die Gegend, ohne hinterher die nötigen Sozialabgaben auch abzugeben.
Soweit das Klischee. Ich wage die Behauptung, dass dem (vielleicht von den norwegischen Preisen einmal abgesehen) nicht immer so ist. Als nietrinkende Fahrradfahrerin, die  immer früh zu Bett geht  fast immer von ihren Eltern herumkutschiert wurde und ansonsten in ausreichender Nähe ausreichend vorhandener Verkehrsmittel zu Hause war und ist, kann ich mich kaum auf eigene Erfahrungen berufen.
Um eine elegante Einleitung abzukürzen, am Dienstagmorgen, nach einer wunderbaren Rügenosterwoche, fand sich Ravna plötzlich in einem Taxi wieder – schöne neue Welt! Wobei die Praktikantin der frauenpolitischen Sprecherin einer Fraktion des Bundestages in mir weiterhin allergisch auf Türaufhalten reagiert, aber wir sind ja anpassungsbereit und an solch einer Kleinigkeit sollte die kostenlose Tour zum Berliner Hauptgewächshausbahnhof nicht scheitern.
Zeit ist relativ, und ich hetzte meinem nach über zwei Wochen wieder auf „deutsch“ eingestelltem Zeitgefühl hinterher. Nahcdem ich mein neuestes Reclam-Heft die Treppe zu Gleis 3 hinunterverfolgt hatte, waren noch immer über 30 Minuten übrig. Die vorhandenen Bänke waren von einem Knäul aus übergroßen Rucksäcken und deren kuhlen Backpackerbesitzern besetzt. Ganz am Ende saßen eine ältere Dame mit einer Frisur, die auch meine Urgroßmutter schon hat, seit ich mich erinnern kann, und deren in schweinchenrosa Samt gekleidete Enkelin. Während Enkelin mit glücklicher Pausbackenmine, auf einem Schokoriegel kauend, auf ihr mit pinken Glitzersteinchen beklebtes elektronisches Spielgerät einhackte, musterte Ältere Dame ihre neuen Backpackernachbarn mit hochezogenen nachgezogenen Augenbrauen. Von unten nach oben. Und von oben nach unten. Und wieder zurück. Und von ganz links bis ganz rechts. Kein Tricorder der Welt hätte genauere Scan-Ergebnisse liefern können.
Mit dem Zug nach Budapest verschwanden die meisten Bewohner der für Ältere Dame so fremden Galaxie samt ihrer Rucksäcke, sodass auf der Bank neben ihr ein Plätzchen für mich und mein Reclam-Heftchen wurde.
Meine Aufmachung aus Kleid, Strickjacke und Seitenscheitel war Vierziger genug, um Ältere Dames Tricorderaugenscan zu entgehen. Stattdessen richtete sie diese nun auf mein oranges Reclam-Heftchen. Es ist eine Sache, gemeinsam mit einer seiner allerbesten Lieblingsfreundinnen (womit der Schmalz für heute aufgebraucht wäre) in der Rostocker S-Bahn zu sitzen und in ein und demselben Buch zu lesen (ich hätte auch die deutsche Version kaufen sollen, auf Englisch sind die Namen viel langweiliger). Fremde Frauen habe ich nur ungern schmatzend in meinem Ohr hängen. Aber gut, am Ende verschwanden sie und die rosa Enkelin in einem anderen Abteil und ich konnte mich in Ruhe meinen Prüfungsvorbereitungen widmen weiterlesen.
Bei der Bahn ist man Experte darin, durch Raum und Zeit zu navigieren und so war mein Anschlusszug bereits vor einer halben Stunde abgefahren, als wir im Leipziger Hauptbahnhof materialisierten einfuhren.
Die meisten Humanoiden auf dem S-Bahn-Steig gehörten der Spezie der beigen Rentner an und zwischen all den Steppjacken und Bügelfaltenhosen fühlte ich mich nun tatsächlich wie ein Alien. Und je weiter sich die S-Bahn hinaus aus der Stadt und in die endlosen Weiten Sachsens bewegte, desto mehr wurden es. Reisen bildet und so lernte ich das  Konzept der „Bedarfshaltestelle“ kennen, passierte die Stadt, in der ich geboren wurde (was ich weiterhin für ein Gerücht halte – ich besitze kein einziges beiges Kleidungsstück und kann harte Konsonanten benutzen!) und schwups, schon hielt der Zug an einem Bahnhof, der in den Erinnerungen meines Grundschul-Ichs noch einen eigenen Warteraum hatte, dessen Gebäude aber inzwischen zum Verkauf stand. Ich war bereit für ein neues Abendteuer – meinen Großvater, der mich im hohen Norden wähnte, zu seinem 70. Geburtstag zu überraschen.
Nach einem dreiminütigen Marsch in die falsche Richtung und einem missglückten Versuch, die einzige Eingeborene, die von meiner Ankunft erfahren durfte, zu kontaktieren (die Verbindung nach Berlin kam nie zu Stande) war ich auf dem richtigen Weg. Nach zwanzig Minuten und kurz vor dem Ziel traf ich auf ein unüberwindbares Hindernis in Form eines Terriers und mein abruptes Anhalten wurde von hinten mit entnervtem Klingeln quittiert – sobald sie sah, wer sich da nach dem Geräusch umdrehte, fiel meine Großmutter allerdings beinahe vom Rad und freute sich ganz fürchterlich und alleine das Gesicht meines Großvaters, als ich in der Tür stand, war den Ausflug in diese fremde Welt allemal wert.
Auf Reisen in fremden Galaxien muss man natürlich auch die lokalen Bräuche kennenlernen. Teilnehmende Beobachtung ist eine Methode der kulturwissenschaftlichen Feldforschung, sagte meine Prüfungsvorbereitung, wobei meine Enkelrolle einerseits die Beobachtung äußerst subjektiv, mein Aliengefühl andererseits die Teilnahme äußerst kurios gestalteten. Nach einigem Hin und Herräumen des gedeckten Kaffeetisches im Sonnenschein trafen die ersten Gäste ein. Mein Großvater feierte seinen Geburtstag mit lauter weiblichen Gästen! Die meisten kannten mich vom Hörensagen oder aus Zeiten, die vor meinem Erinnerungsvermögen liegen und die allermeisten siezten mich – ich habe das Land verlassen, bevor ich dafür alt genug war! Wie um Himmels Willen soll ich mich denn Leuten vorstellen, die mich siezen? Frau H. bin doch gar nicht ich, das ist meine Mutter! Der Kuchen war lecker und dass der schwarze Streuselkuchen es nie wirklich geschafft hat, die sächsische Landesgrenze zu überschreiten, ist eine Schande. Nach einigen Tassen Kaffee gab es den nächsten Brauch zu beobachten – das Verlesen eines Gedichts mit Überreichung eines dazu passenden Geschenkes.
Während ich nun also dort im Sonnenschein saß, den Kuchen und den Smalltalk genoß, setzte sich plötzlich Anita neben mich, die einzige, die ich nebem meinen Großeltern und meiner Uroma recht gut kannte – und sagte: „Ravna, also ich muss das jetzt mal fragen – wie ist das denn da, dort in Norwegen? Bist du da ganz alleine, oder hast du da auch Freunde?“

Hatte ich mich vorher wie ein Alien gefühlt, kam ich mir jetzt eher vor wie im falschen Film. „Auf der Kautsch mit Tante Anita“ vielleicht. Was sollte denn das? Es ist ja schön, wenn sich die Leute Sorgen um einen machen, aber - äh? Bei 13 Einwohnern pro km² mag es ja manchmal schwierig werden, aber so einsam ist es ja dann auch nicht. Und was antwortet man dann? „Nein, Freunde, sowas kennt man in Norwegen nicht. Wir sitzen alle den ganzen Tag auf unseren Zimmern, dreimal am Tag wird Essen durch die Katzenklappe geschoben und zweimal die Woche machen sie die Türen auf und lassen uns in den Hörsaal. Aber wenn wir dann jemanden direkt angucken, müssen wir wieder zurück ins Zimmer.“ Nein, natürlich nicht. Das wäre unhöflich. Oder „Freunde, nein, in Norwegen ist doch alles so teuer, das kann ich mir nicht leisten.“ Auch nicht. Obwohl auch ich schon immer rote Haare haben wollte.
Liebe Leute! Ja, ich wohne in einem fremden Land! Und ich kann sogar die Landesprache! Und ich rede mit den Leuten, und die sind sogar nett! Zumindest meistens. Und ich gehe zu Vorlesungen und zum Volkstanz und zu YFU-Seminaren und zu YFU-„Vorstands“sitzungen und auf Arbeit und ins Kino und auf Partys und zum Sonntagsmittag mit meiner Gastfamilie und auf Hyttetur und auf einen Kaffee mit Kjersti und manchmal fahre ich übers Wochenende auf einen abgelegenen Hof und tue mit zwanzig anderen so, als schrieben wir das Jahr 1030. Und manchmal sitze ich auch den ganzen Tag auf meinem Zimmer und lese Reclam-Heftchen oder gucke Fernsehserien. Das mag ja alles nicht normal sein, aber ich bin ziemlich glücklich damit.
Andere wohnen eben lieber zu Hause und sprechen ihre Muttersprache, und sie reden mit den Leuten, und meistens sind sie nett und dann machen sie eine Ausbildung und gehen zum Sportverein und in die Dorfdisco und zum Sonntagsmittag zu Mutti und auf einen Kaffee mit Katrin und manchmal fahren sie am Wochenende nach Leipzig und gehen in den Zoo. Und manchmal sitzen sie auch den ganzen Tag zu Hause und spielen Computerspiele und gucken Fernsehserien. Und ich mag das ja alles komisch finden, aber sie sind ziemlich glücklich damit.
Und solange wir am Ende des Tages alle im Sonnenschein sitzen und schwarzen Streuselkuchen essen können, ist dass doch alles völlig in Ordnung und wunderbar und fantastisch.

mandag 5. mai 2014

Rügen









Warum sich die Technik weigert, die Bilder so anzuordnen, wie ich es gerne hätte, weiß ich nicht genau. Wie auch immer, Rügen ist wunderschön, vor allem, wenn noch nicht allzuviele Badegäste dort herumspringen, und ich hatte schon viel zu lange keine Kamera mehr in der Hand. Und gehe jetzt weiter prokastinieren, schließlich schreib ich am Mittwoch meine erste Prüfung. Danach kann ich mich sicher auch mit dem Technikproblem auseinandersetzen.