„Du Nerd!“ war die
Bemerkung einer Freundin, als sie mich letzte Woche dabei erwischte, wie ich
meinen Namen in Lautschrift auf mein Aufgabenblatt schrieb. Da es ja – solange
man die dazu passende Hornbrille trägt und sich dem richtigen Themengebiet
angenommen hat – in den letzten Jahren beinahe salonfähig geworden ist, in
irgendeiner Weise ein Nerd zu sein, fühlt Ravna sich jetzt also geschmeichelt.
Obwohl ihre Brille erst in ein paar Jahren modern sein wird.
Ravnas Studienberaterin
hat es tatsächlich geschafft, die Bewerbung eine ganze Woche zu früh nach
Schottland zu schicken, und infolge dessen hat Ravna in den letzten drei Wochen
alle Stunde mehrmals in ihr Emailpostfach geschaut – um letzten Dienstag dann
eine Email der schottischen Austauschkoordinierungsperson zu finden, dass sie
sich entschuldige, aber sie war in den Osterferien und konnte die Bewerbung
daher erst weiterleiten. Und damit ging die Warterei schon wieder von vorne
los!
Da ja in drei Wochen
Prüfungen sind, hat Ravna in den letzten Wochen viel Zeit zum Arbeiten gehabt.
Mit den Möwen, Tulpen und mehr Tageslicht sind auch die Touristen wieder nach
Bergen gekommen, und nachdem man im Museumskafé lange froh sein konnte, an
einem Sonntag vier Tassen Kaffee und ein Stück Kuchen verkauft zu haben, läuft
das Geschäft nun merklich besser. Und proportional mit der Anzahl verkaufter
Kuchenstücke steigt auch die Zahl dummer spannender Fragen und zweifelhafter
unterhaltsamer erwähnenswerter Handlungen der Kunden. Auch Ravna hat in
der Zeit, in der sie noch auf der anderen Seite der Theke stand, einige Dinge
getan, die sie jetzt heimlich hinter der Waffelteigschüssel die Augen verdrehen
lassen.
Selbstbedienung: Ein Konzept, dass in norwegischen Museeen
zugegebenermaßen üblicher ist als in vielen anderen Gegenden der Welt, aber
dennoch scheint es in Zeiten von kaffeeausschenkenden Sternböcken, dem Bulettenkönig
und dessen Konkurrenz mit dem gälischen Nachnamen keine allzu hohe Erwartung zu
sein, dass das Grundprinzip von allen verstanden wird. Teewasser ist natürlich
in der Kanne mit der Aufschrift „Kaffee“, denn wo kämen wir dnen hin, wenn alle
Aufschriften hielten, was sie versprechen?
Eine weitere Variante ist
natürlich, sich mit dem Aufruf „Wan koffie!“ auf den nächstbesten Stuhl zu fläzen,
dann einige Minuten erwartungsvoll um sich zu schauen und sich schließlich einfach
selbst an der Kaffekanne zu bedienen. Heißt ja so. Selbstbedienung.
Geschirr und Besteck sind nach Benutzung
a.
(wenn es
gerade ruhig ist) mit einem freundlichen „Sehen Sie mal, ich bin ein netter
Kunde, ich trage sogar das Geschirr für Sie“-Lächeln auf der frisch geputzten
Glasoberfläche der Kuchenvitrine abzustellen, wo sie ein spannendes Muster aus
Marmelade und Kaffeetassenringen hinterlassen.
b.
(wenn gerade
viele Leute da sind) am Platz stehen zu lassen. Dabei ist es eine besonders
gute Idee, die Servietten entweder in die nur halb geleerte Tasse zu stopfen,
damit sie sich dort in Kaffee-Servietten-Brei verwandeln kann, oder – bei Benutzung
mehrerer Teller – sie mit der Marmelade zu einem einwandfreien Sekundenkleber
zu verarbeiten, mit dem dann der Tellerstapel transportsicher zusammengeklebt
werden kann.
Durch derartiges Handeln
erspart man den Kafémitarbeitern, auch noch das Regal mit der Aufschrift „Stellen
Sie hier bitte Ihr Geschirr ab“ am Ende des Tages einmal abwischen zu müssen.
Ravna ist ein Meister der
belegten Stulle, und zusammen mit halbverbrannten Waffeln und Kuchen von vor
drei Tagen ist die Auslage zweifelsohne sehr viel ansprechender als die 900
Jahre alten Holzstückchen mit Runeninschrift in der Ausstellung nebenan. Man
befindet sich ja schließlich in einem Museum und möchte daher möglichst viel
Zeit vor jeder einzelnen Vitrine verbringen – und die Lachmuskeln der
Kaffeemitarbeiter bekommen eine kostenlose Trainingsstunde, während selbige freundlich
lächelnd für einige Viertelstunden auf die Bestellung des Kunden warten!
Und dann (achtung, sehr gute Überleitung!) war Ravna diesen Monat auch noch in Oslo: