Die drei Wochen auf den Inseln voller Schafe und netter
Leute sind vorbei, und plötzlich sitzt Ravna wieder in Bergen. Unter ihrem
Regenschirm.
Plötzlich verstehe ich im Bus wieder, worüber sich die Damen
vor mir unterhalten, im Supermarkt gibt es kein vernünftiges Brot mehr (es hat
auch seine Vorteile, zu Dänemark zu gehören) und nirgendwo stehen mehr
ausländische Autos mit Ferngläsern und zugehörigen Sea-Shepherd-Aktivisten
darin.
Und die 28 furchtbar netten Fremden, mit denen ich die
letzten drei Wochen verbracht habe, sind auch alle nicht mehr da.
Wenn die Färöer Inseln doch nur auf dem Weg nach irgendwohin
lägen, es wäre so viel einfacher, bald wieder einmal hinzufahren.
Am Samstag haben wir eine Abschlussprüfung geschrieben. Da
unsere Lehrerin ja ungefähr drei Viertel der Dinge, über die wir gesprochen
hatten, von vornherein für zu kompliziert für uns erklärt hatte und der einzig
wichtige Satz auf Färöisch sowieso „Ohjaaa, ha?“, ist, war ich nach gut 30
Minuten fertig. Und sah mich leicht verzweifelt und verstohlen um, ob ich
irgendetwas völlig falsch eingeschätzt oder vergessen hatte, denn es machte
niemand Anstalten, abzugeben. Nach fünf weiteren Minuten kam der Leiter des
gesamten Kurses in den Raum gestürmt, und verlangte mitten in der Prüfung den
Schlüssel für die Schule zurück, der sich drei Wochen lang in meinem Besitz
befunden hatte (Ohne, dass ich ihn ein einziges Mal verlegt hatte! Was
zugegebenermaßen auch daran liegen könnte, dass ich ihn ganz einfach nicht ein
einziges Mal verwendet hatte.) Nach fünfzig Minuten gab endlich der erste
seinen Test ab, was zu allgemeinem Stuhlbeinscharren führte – im Nachhinein
stellten wir fest, dass wir alle seit einer halben Stunde nur aufeinander
gewartet hatten. Die andere Klasse
brauchte etwas länger – immerhin verlangte ihr Examen, eine Zeichnung Paul
Watsons (die natürlicherweise in keinster Weise auf dessen Namensvetter
zurückzuführen war).
Am Abend gab es ein Drei-Gänge-Menü mit Fisch, Schaf,
Kartoffeln, brauner Soße und Rhabarberkuchen und färöischem Kettentanz. Das
machen wir in Norwegen auch manchmal, nur irgendwie fehlt den Norwegern der
richtige dramatische Einschlag.
Der Flug am nächsten Tag ging um 16:35 Uhr, und da der Bus
viel zu früh ging, verbrachten wir noch beinahe 3 Stunden auf dem ruhigsten
internationalen Flughafen der Welt – auf dem wir sogar das Gepäck
unbeaufsichtigt vor dem Check-In-Schalter stehen ließen, weil der noch nicht
offen hatte. Sobald er öffnete, bildete
sich davor eine lange Schlange dänischer Rentner. Obwohl ich seit eines
Zwischenfalls mit einer Busreisegruppe, meinem Fuß und der Schlange vor der
Damentoilette einer Autobahnraststätte vor etlichen Jahren eigentlich einen
gesunden Respekt vor in Rudeln auftretenden Repräsentanten der älteren Generation
habe, kam ich dieses Mal mit meinem Fuß gegen den Koffer einer pinken dänischen
Lady, als ich versuchte, dem Koffer einer anderen, eher grünen Lady
auszuweichen. Während ich noch verzweifelt mein Gleichgewicht suchte, stieß
mein anderer Fuß ebenfalls gegen den Koffer der pinken Lady – und die drehte
sich um, rümpfte auf äußerst unladyhafte Art und Weise ihre Nase und fragte: „Trittst
du mich?“ (oder zumindest glaube ich das, bei den Dänen und den vielen
fehlenden Buchstaben kann man ja nie wissen.) Ich hätte ihr ja äußerst gern
meine Meinung gesagt, am liebsten auf Färöisch, aber Ravna ist ja
bekanntermaßen lieb und nett und mimte das Mäuschen vor der Schlange.
Entschuldigen Sie vielmals, ich wollte das nicht, ich bin nur gestolpert!
Ich saß leider auf der linken Seite des Flugzeuges, wodurch
mir der Blick auf mein nächstes Reiseziel leider versperrt blieb (Na, wo soll
es hingehen?) und zu Essen wurde Sushi serviert, was für zitterhändige Tollpatsche
einfach kein geeignetes Flugessen ist.
Nach einem diesmal kurzen Stopp in Kopenhagen ging es nach
Bergen – und plötzlich saß ich auf Platz 1B! Ganz vorne! Da, wo man sein Gepäck
nicht unter den Sitz des Vordermannes stellen kann! Zwischen einem sehr
geschäftigen Geschäftsmann und einem nicht ganz so geschäftigen anderen Mann. Offensichtlich
hatte mir mein sündhaft teures Atlantic Airways Ticket im von SAS bedienten
Anschlussflug einen Premiumplatz beschert. Ich hätte mir, wie der geschäftige
Geschäftsmann, ein Bier und eine Flasche Wein bringen lassen können. Oder, wie
der nicht ganz so geschäftige Mann, eine Packung Chips und zwei Cola. Nur Ravna
hat noch nie vorher in ihrem Leben ganz vorne im Flugzeug gesessen. Und wusste nicht,
wo man da den Tisch ausklappt. Und da sie ein nervöser und schüchterner
Tollpatsch ist, hat sie sich deswegen lieber ganz tief in ihrem neuen Wollpulli
vergraben und hinter ihrem Buch versteckt und nichts bestellt.