søndag 29. desember 2013

Tagespläne

Was tut man in der Weihnachtszeit, wenn es nicht schneit, stattdessen regnet, weit und breit?

Weihnachten ist zwar schon mehr oder weniger vergangen, aber ich habe immer noch einen halben Baumkuchen und einen ganzen kleinen Stollen im Schrank und die Kerzen im Adventskranz sind auch noch nicht ganz heruntergebrannt.

In dieser Nachweihnachtszeit also, wenn es nicht schneit, sondern regnet, weil ein geschichtenfanatischer Bücherwurm mit einem Spleen für Geschichte und Sciene Fiction und komischen Klamotten die grandiose Idee hatte, in die regenreichste Stadt Europas zu ziehen, lädt sich ebendieser Bücherwurm eine Freundin ein. Diese wird im Studentenwohnheimzimmer im beinahe leeren Studentenwohnheim einquartiert. Zwischen Koffern, Matratzen und eigenen Möbeln muss der Bücherwurm dann auch weniger putzen.
Draußen beginnen die Tage um 9:45, wenn die Sonne aufgeht, im Studentenwohnheimzimmer beginnen sie, sobald  sich der erste unter der Decke hervor an die Heizung traut, um ebendiese einzuschalten. Manchmal auch erst nach dem zweiten oder dritten Anlauf.


Der äußerst detaillierte und strenge Tagesplan sieht danach ein Frühstück vor, dann gemeinsame Aktivitäten bis ungefähr 15:00 Uhr, Heimkehr ins Studentenwohnheimzimmer und gemeinschaftliche Produktion einer Mahlzeit, danach Blogeinträgewettschreiben, wahlweise auch andere computer- oder lesebasierte Aktivitäten, eventuell Ansehen von zu komplizierten englischen Filmen mit für die Freundin unverständlichen Untertiteln oder gemeinsames Hinaus-in-den-Regen-Starren.

Zur Abwechslung dienen diverse Unterbrechungen der Tagesroutine, darunter ein Tanz-nach-Weihnachten-Abend des Tanzvereins, sowie das nächtliche Auftauchen des Bruders der Studentenwohnheimzimmernachbarin, der sich gegen 2:00 Uhr in der Küche plötzlich mit einem verschlafenen Bücherwurm, ohne Brille und in Gedanken noch in einem Traum über fliegende Untertassen, konfrontiert sah. Aber er zahlt 10 Kronen für beinah-gestohlene Klementinen und hinterlässt die Küche sauber, also darf er bleiben.

Das Leben ist blaue Pfefferkuchenpolizeiboxen mit gebackenem Lachs und Rote-Bete-Salat.


Gemeinsame Aktivität I: Beusch der Pfefferkuchenstadt


Pfefferkuchenpolizeibox. In blau!
Gemeinsame Aktivität II: Fahrt auf den Fløyen mit darauf folgendem Abstieg




onsdag 25. desember 2013

Alle Jahre wieder


“It’s a funny thing coming home. Nothing changes. Everything looks the same, feels the same, even smells the same. You realize what’s changed, is you.”

Ich kann mich nur noch sehr ungenau an den Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ erinnern, und ich bin mir noch nicht einmal so sicher, ob ich ihn überhaupt komplett gesehen hab, oder nur in Ausschnitten. Die zugehörige Kurzgeschichte kenne ich auch nicht. Ich weiß auch gar nicht, in welchem Zusammenhang obengenannter Satz fällt.  Deswegen habe ich ihn einfach mal elegant aus dem Zusammenhang gerissen – im letzten Semester haben wir immerhin gelernt, wie man sinnvoll und korrekt zitiert – um ihn für meine eigenen Zwecke zu gebrauchen.
Ich war die letzten zehn Tage zu Hause. Nicht zu Hause in Bergen, nicht zu Hause in Os, sondern zu Hause in Berlin, bei meinen Eltern. Es war genau sechs Monate her, dass ich am Tag nach dem Abiball ins Flugzeug gestiegen war, um den Sommer zwischen buntbetatzten Kreuzfahrttouristen und bereits vor 900 Jahren abgebrannten Holzhäusern zu verbringen. Und danach die ein oder andere Philosophievorlesung im Ansichtsverzeichnis zu verbringen. Aber nach sechs Monaten Wieso-sprechen-Sie-so-gut-deutsch und Cogito-ergo-sum und Präzisieren-einer-Aussage und Erstelle-ein-Argumentationsdiagram war es höchste Zeit, mal wieder zu richtigem Brot und Großstadt nach Berlin zu fahren.
Es hat sich nicht viel verändert. Der Flughafen in Tegel, der Weg nach Hause, die Straße, das Haus meiner Eltern. Mamas Auto heult immer noch schrecklich beim Schalten und die Matratze in meinem Bett hat immer noch an genau der gleichen Stelle eine Kuhle.
Everything looks the same, feels the same, even smells the same
Die Frau beim Bio-Bäcker in der Bio-Supermarkt-Kette wünscht mir um kurz nach vier einen schönen Nachmittag, „wobei, es wird ja jetzt immer so früh dunkel, es sieht eher aus wie ein schöner Abend.“ Nun, ich hatte mir gerade gedacht, wie schön, dass es hier ein bisschen länger hell ist.
Kurz danach stehe ich im Schreibwarenladen, um Tintenpatronen zu kaufen und krame verzweifelt in meinem Portmonee. Wie sehen nochmal die 50-Cent-Münzen aus? Sind die blauen Scheine die Zwanziger?
An der Supermarktkasse suche ich verwundert nach dem Kartenlesegerät, als mir die Verkäuferin meine EC-Karte aus der Hand reißt und sie in das für mich unerreichbare Teil schiebt.
Auf dem Rückweg steht eine riesige Menschentraube an der Bushaltestelle. Nun, ich habe ja einen Fahrschein, da kann ich ja hinten einsteigen. Als der Bus kommt, öffnet der Fahrer die eine Hälfte der vorderen Doppeltür und alle Wartenden versuchen, möglichst als erste einzusteigen, um dann noch stundenlang nach Kleingeld zu kramen, wenn sie ihre Fahrkarten beim Fahrer kaufen.
Als ich dann bei meinen Eltern in unserer angenehm vertraut nach Holz, Tee und Bioladen riechenden Küche sitze und von der Uni erzähle, stolpere ich über Worte wie „Vorleser“ und „Seminaraufgabe“, nichtsahnend, dass diese Dinge auf Deutsch „Dozent“ und „Hausarbeit“ heißen und am nächsten Morgen erklärt mir die Dame, die mir die Zöpfe wieder ab und die Haare damit kurzschneiden soll, dass sie einen Akzent zu meinen hört.

Im Kino spricht Bilbo Beutlin Deutsch und mein Vorhaben, meinen Eltern meine neueste Fernsehseriensucht näher zu bringen droht daran zu scheitern, dass die Synchronisation den Doktor und Donna Noble in ein paar lachhaft hysterische Teenager zu verwandeln scheint.
Wir gehen ins Theater zu einem Stück von Brecht und vorher in die Kantine, an Heilig Abend spielt Papa erst den Weihnachtsmann bei einem Kollegen und dann gibt es Würstchen mit Kartoffelsalat. Auf der Couch sitzen die Großeltern und unterm Weihnachtsbaum die Geschenke, ich habe wie immer vergessen, die Preisschilder abzumachen. Meine Eltern schenken meinen Großeltern nichts und meine Großeltern schenken meinen Eltern nichts, so ist es seit Jahren abgemacht und seit ebenso vielen Jahren halten sich meine Großeltern nicht daran und wie jedes Jahr legt sich zwischen Tannennadel- und Plätzchenduft ein Hauch von Familienstreit – oh, du schöne Weihnachtszeit!
Nothing changes.
Und als alles schon fast wieder vorbei ist, fragt meine Großmutter mich, ob ich schon aufgeregt sei. Ich verstehe nicht. Die Bescherung vorbei, warum denn jetzt noch aufgeregt sein? Morgen führe ich ja wieder nach Norwegen. 

You realize what’s changed, is you. Morgen fahre ich ja wieder nach Hause.

 
You realize what’s changed, is you. Morgen fahre ich ja wieder nach Hause.