torsdag 30. oktober 2014

Harry Potter und die Entzauberung der Welt

Im Jahre 1692 trat das Internationale Abkommen zur Geheimhaltung der Zauberei in Kraft. Über Jahrhunderte hinweg war die magische Gemeinschaft ein natürlicher Teil der Muggelwelt gewesen – doch angesichts der wachsenden Bedrohung durch Hexenprozesse und –verfolgungen, die zunehmend auf dem Scheiterhaufen endeten, entschied man sich, diese Welt zu verlassen und in den Untergrund zu gehen.
Magie war über Jahrhunderte ein natürlicher Bestandteil des Alltagslebens. Magische Gegenstände – Fensterblei aus Kirchenfenstern, Steine vom Friedhof oder getrocknete Bärenkrallen schützten vor dem Bösen oder erleichterten Geburten und heilten Krankheiten. Magische Rituale wie etwa Bleigießen halfen, die Ursache diverser Leiden zu finden und manche Menschen waren in der Lage, alleine durch boshafte Gedanken Unglück und Krankheiten über Mensch und Tier zu bringen.  Man lebte in einer magischen Welt und Magie beeinflusste die Vorstellungen, die man über Ursache und Wirkung diverser Handlungen und Situationen hatte.
Mit den richtigen Kenntnissen konnte man Kranke behandeln – etwa durch Anwendung spezieller Salben in Verbindung mit dem Lesen von magischen Formeln und Bibelzitaten, oder man konnte Amulette herstellen, die Neugeborene vor dem Einfluss böser Mächte schützen. Wirkte ein Zauber einmal nicht, lag dies nicht an der Abwesenheit der Magie – derjenige, der versuchte, sie zu nutzen, war vermutlich nicht genau oder nicht stark genug.
Es ließ sich natürlich nicht jede Krankheit fortzaubern – manchmal war eine Krankheit auch eine Strafe Gottes, oder ein Toter fühlte sich von seinen noch lebenden Verwandten falsch behandelt.
Aber etwa 150 Jahre vor Inkraftreten des Geheimhaltungsabkommens begannen Teile der nicht-magischen Bevölkerung, sich gegen ihre magischen Nachbarn zu wenden. Während es für den Mann auf der Straße einen deutlichen Unterschied zwischen weißer und schwarzer Magie gab, zwischen denen, die Kranken halfen und denjenigen, die mit bösen Absichten Krankheit und Tod über ihre Nachbarn brachten, wandten sich Kirche und Justiz vielerorts gegen jegliche Form von Magie. In Norwegen trat 1592 ein Gesetz in Kraft, das die Anwendung von Magie bei Todesstrafe verbot. Nicht etwa im dunklen Mittelalter, sondern in der Zeit zwischen Kopernikus und Newton, folgten eine Reihe von Hexenprozessen, die für einige Angeklagte auf dem Scheiterhaufen endeten.
Besonders nach der Reformation, die für die norwegischen Muggel eine von außerhalb und vor allem von oben durchgeführte, tiefgreifende Änderung war und gerade in den Anfängen zu vielen religiösen Unsicherheiten führte, wurden Hexen teilweise recht systematisch verfolgt. Die neue Lehre stritt die Existenz von Magie nicht ab, wie es heute für viele Muggel der Fall ist – aber sie nahm an, dass jegliche Anwendung von Magie immer und stets auf den Teufel zurückzuführen sei und damit verboten gehöre. Man glaubte weiterhin an die Existenz von Magie, allerdings ging man nun davon aus, dass kein Mensch selbstständig magische Handlungen ausführen könne – dies war nur möglich, wenn er oder sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Gleichzeitig öffneten die neuen Gesetze Möglichkeiten, unliebsame Nachbarn der Zauberei anzuklagen und sie damit aus dem Weg zu schaffen und im Laufe der Jahre wurden neben einigen Hexen, die tatsächlich mit schwarzer Magie ihren Muggelnachbarn zu schaden suchten, auch eine Reihe Unschuldiger angeklagt und verurteilt. Während in höheren Kreisen der Muggelgesellschaft der Glaube an die Existenz von Magie nach dem Inkrafttreten des internationalen Geheimhaltungsabkommens bald als Aberglaube abgeschrieben wurde, hielt er sich in weiten Teilen der norwegischen Bevölkerung noch weit bis ins 19. Jahrhundert und endete erst, als die Muggel mit Erfindungen wie Ecklecktrizität und Antibaotikas lernten, ihre Probleme selbst zu lösen.
Ravna schreibt bald Prüfungen. Ganz ohne die Hilfe von Erinner-michs oder selbstkorrigerender Tinte. Während sie für die tatsächliche Existenz des Internationalen Abkommens zur Geheimhaltung der Magie keinerlei Quellen vorzuweisen hat, ist der Rest viel weniger Humbug, als man vielleicht glauben möchte. Hexenprozesse handeln für uns heute um die unrechtmäßige Verfolgung unschuldiger Frauen, die in ihrem Lokalmilieu unbeliebt waren oder mächtigen Männern zu viel Macht hatten. Aber die tatsächlich an den Hexenprozessen Beteiligten – Richter, Zeugen, Ankläger und Angeklagte – glaubten an die Existenz von Magie. Nicht alle waren davon überzeugt, manche Frauen könnten tatsächlich auf ihren Dienstmädchen an Weihnachten zum Hexensabbat mit dem Teufel reiten und viele Angeklagte waren unschuldig – aber innerhalb des magischen Weltbilds der Zeit ist es durchaus möglich, dass manch ein Richter angesichts der vorliegenden Beweise von der Schuld der Angeklagten überzeugt war, oder das manch einer tatsächlich glaubte, seinen ungeliebten Nachbarn verhexen zu können – und wenn er dann einen Versuch unternahm, war er dann tatsächlich noch unschuldig?

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