tirsdag 10. juni 2014

Irland (I)

Ein Reisebericht in vier Akten

Episode I  -  Donnerstag, 5. Juni 2014

Manchmal wache ich auf, wenn mein Nachbar um 03:45 von einer Mittwochabendparty nach Hause kommt. Manchmal lege ich mein Buch beiseite, wenn mein Nachbar um 03:45 von einer Freitagabendparty nach Hause kommt. Manchmal gehe ich gerade zum fünfzehnten Mal aufs Klo, weil es schon wieder so hell ist, dass ich nicht schlafen kann, wenn meine Nachbarin um 03:45 schon ebendort ist.
Und einmal klingelte mein Wecker, als mein Nachbar um 03:45 von einer Mittwochabendparty nach Hause kam. An diesem Donnerstagmorgen galt es nämlich, den Flughafenbuss um 05:00 zu erwischen, denn um halb sieben ging der Flieger nach Amsterdam mit anschließender Weitereise nach Cork, Irland. Es galt, der wunderbaren Bücherwurmfreundin Kaline nach einem halben Jahr endlich einmal einen Gegenbesuch abzustatten und die befindet sich momentan als Au pair in Irland. Gebettelt hatte ich ja nun lange genug.

Eine Portion Haferbrei und einen großen Kaffee später saß ich leicht verzweifelt auf Platz 17A des Fluges KL 1184 von BGO nach AMS und versuchte zu ergründen, warum in aller Welt ich noch keinen Boarding Pass für den Flug KL 3171 von AMS nach ORK hatte – schließlich handelte es sich doch um die gleiche Fluggesellschaft! In 1h 15 min konnte doch keiner von mir verlangen, ganz aus- und dann wieder einzuchecken, und dass nur, um an den blöden Zettel mit der nächsten Sitznummer zu kommen! Ein einfacher Satz ala „It might be a stupid question, but …“ gerichtet an die knallblau gekleidete Flugbegleiterin mit dem beneidenswert orangen Halstuch hätte das Problem vermutlich lösen können, aber Ravna ist weltgewandt, bereist und schüchtern und meine Verzweiflung löste sich daher erst auf, als ich in Amsterdam vor dem wunderbaren Schild mit der Aufschrift „Self-service transfer“ stand und der hellblaue Automat mir ohne zu murren einen weitere Karte ausdruckte. Schipohl ist riesig, aber im Gegensatz zu Frankfurt weiß man hier, wie man Hinweischilder anbringt und ein paar Kilometer später stand ich in der nächsten Schlange und hielt meinen neuen Boardingpass sorgfältig über die Schrift auf der Vorderseite des kleinen dunkelroten Büchleins, dass seit Jahren  niemand außer des norwegischen Einwohnermeldeamtes hatte sehen wollen – eine richtige echte Passkontrolle! Aber wenn ich schon in der Schlange für die Sonderlinge „EU-Bürger“ stehe, muss ja nicht gleich jeder wissen, dass ich meine Nationalität mit dem laut lamentierenden Besitzer der quietschgelben Krawatte drei Personen vor mir teile.  

Der Flug nach Cork ist auch nicht ganz pünktlich, aber einmal angekommen finde ich sowohl den Fahrkartenautomaten als auch den richtigen Bus auf Anhieb, vergesse nicht einmal, meine Uhr umzustellen und stehe kaum eine halbe Stunde später in der Stadt am Busbahnhof. Irland sieht aus wie Norwegen, nur ohne Berge, es gibt mehr Kühe und alles ist tatsächlich ziemlich grün. Ich kann meinen Rucksack für den Tag in einem Tintenpatronenauffülladen unterbringen und danach gilt es erst einmal ganz klischeehaft, die vielen Autos zu bewundern, die mit leerem Fahrersitz auf der falschen Seite der Straße daherkommen. 

Ravna ist weltgewandt und bereist und daher ist es Jahre her, dass ich das letzte Mal in einem tatsächlich fremden Land war – im Supermarkt finde ich ein Sandwich und eine Flasche Wasser, aber das System hinter den Kassen bleibt mir verborgen – es sieht aus, als gäbe es ganz normale Supermarktkassen wie in Norwegen, allerdings ist keine davon in Betrieb. Gleich daneben schlängelt sich ein aus niedrigen Süßigkeitenregalen aufgebauter Gang zu einer Barriere, die entfernt an einen Fahrkartenschalter erinnert. Ein paar Tage später werde ich in Erfahrung bringen, dass es sich dabei um die Kasse für kleine Einkäufe handelt (wie ein Sandwich und eine Flasche Wasser zum Beispiel), aber vorerst bin ich froh, dem schnell vor sich hin nuschelnden Kassierer an der Kasse für Wochenendeinkäufe den richtigen Betrag überreicht zu haben (wie sehen nochmal die 5-Euro-Scheine aus?).

St. Fin Barre's Cathedral
Cork steht nicht zu Unrecht auf der Liste über die unterschätzen Städte Europas und nach einigem ziellosen Herumlaufen auf der ergebnislosen Suche nach einem Buchladen lande ich gemeinsam mit einer überraschend großen Anzahl amerikanischer Touristinnen in einer wunderschönen Kirche. Religionen sind mir nach wie vor ein Rätsel, aber irgendwie habe ich eine Schwäche für Sakralbauten. Eine Frau bitte mich um 2 Euro Eintritt für den Erhalt des Gebäudes und fragt, wo ich herkomme, um mir einen Flyer in der passenden Sprache überreichen zu können. Ich gucke sie einen Moment zu lange verwirrt an und setzte dann auf die Antwort „Uhm, äh, I’m from, uhm, Norway!“, was mir einen Zettel in englischer Sprache beschert. 


Später sitze ich vor der Kirche in der Sonne und esse ein Tomatensandwich mit Huhn, dem in der gesunden Variante jegliche Mayonnaise und daher viel Geschmack fehlt, als mich eine SMS von Kaline erreicht, ob ich nicht um 15:45 in Midleton sein könne. 
Die Busstation wiederzufinden bereitet meinem eher rudimentär vorhandenen Orientierungssinn überraschend wenig Probleme, auch wenn das Überqueren von Nichteinbahnstraßen eine Herausforderung ist. „Rechts, links, rechts“ ist einfach nicht die Kopfbewegung, die mir einprogrammiert wurde, seit ich im Alter von 2 Jahren einmal versuchte, bei Rot eine Neuköllner Straße zu überqueren, und Ampeln scheint es in Irland nur zu geben, damit die Autofahrer zumindest ein paar Touristen weniger im Jahr über den Haufen fahren – nach fünfminütigem Warten schalten sie für einige Sekunden auf Grün, was gerade so reicht, um die Fahrbahn zu überqueren, auf der die Autos aus der falschen Richtung kommen.
Der Busfahrer ist äußerst nett und verspricht, mir Bescheid zu geben, sobald wir in Midleton sind – denn Haltestellenanzeigen scheinen in Irland ebenso unbekannt zu sein, wie in Norwegen. Eine halbe Stunde später stehe ich tatsächlich in der richtigen Stadt und an der richtigen Haltestelle.
Hatte ich vor meiner Reise noch angekündigt, mehr Ahnung von Quantenphysik zu haben als von Kindern, zeigt sich auf dem Spielplatz nun, dass ich meine Physikkünste vielleicht doch ein wenig überschätzt habe, denn nichts ist spannender als Gummiarmbänder binden und Schaukeln anschubsen und sogar einen halben Kopfstand kann ich noch.
Tesco gibt es tatsächlich sogar in echt und eine Autofahrt auf einem irischen Beifahrersitz ist eine äußerst faszinierende Angelegenheit. Kalines Gastmutter macht prima Lasagne und zum ersten Mal seit fast fünf Jahren bekomme ich heiße Schokolade mit Marshmallows. Das Bett wurde extra für mich von Spiderman zu rosa-grün mit Blümchen umbezogen (Oh nein!) und nach einem Tag voller Sonnenschein wird es hier sogar rechtzeitig zum Schlafengehen dunkel.
Fortsetzung folgt …

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