søndag 19. desember 2010

Perfektionismus

Ich war in letzter Zeit mal wieder häufiger im ATS-Forum und dabei ist mir aufgefallen, wie viel Glück ich doch eigentlich habe und wie wenig Probleme. Viele scheinen momentan Heimweh zu haben, wegen Weihnachten, wollen wechseln oder abbrechen, haben Stress mit Gastgeschwistern oder der Organisation oder fühlen sich als der 2. Austauschschüler wie die schlechte Zweitbesetzung.

Und ich? Ich habe kein Heimweh und hatte keinen Kulturschock, würde meine ehemalige Ankunftsfamilie nie im Leben wechseln wollen, bin schon traurig, dass fast die Hälfte der Zeit rum ist, habe zwei wunderbare Schwestern und einen Bruder, der der Austauschschüler vom letzten Jahr ist. Und YFU ist hier zwar verplanter als in Deutschland, aber klein, persönlich und ich fühle mich ganz gut aufgehoben.
Und nein, es ist nicht alles perfekt. Ich habe nach wie vor keine richtig guten Freunde. In der Schule bin ich nicht allein, aber nachmittags mit jemandem treffen, das tu ich eigentlich gar nicht. Ausser zu Geburtstagsfeiern. Und die Freunde in der Schule sind fast alle nicht in meiner Klasse, wie ein Teil der Klasse fühle ich mich also auch nicht unbedingt. Mehr wie ein Teil derer, die sich nicht wie ein Teil der Klasse fühlen.
Und auch meine Gastfamilie ist nicht perfekt. Natürlich nicht. Keine Familie ist perfekt. Sie sind die liebste Familie Norwegens und ich möchte sie um nichts in der Welt hergeben. Aber es ist nicht immer so toll, wenn es heisst, 16:00 passiert das und das und 18:00 Uhr hat sich immer noch nichts getan. Das liegt vielleicht auch an meinen deutschen Zeitvorstellungen, aber ich finde es ziemlich schwierig, mich daran zu gewöhnen.Ordentlicher ist es zu Hause in Deutschland auch, aber das liegt nicht unbedingt an mir und erstreckt sich auch nicht bis in mein Zimmer, also bin ich wohl auch die letzte, die sich darüber eschoffieren darf. Und ja, ich weiß, dass das im Duden anders steht.
Aber warum gehts mir dann trotzdem so prima? Warum stört mich nicht, was andere stört? Ich bin wohl kaum der perfekte Austauschschüler, niemand ist das.
Aber ich bin hier hergekommen, ohne auch nur ein einziges Mal mit meiner Gastfamilie kommuniziert zu haben. Alles was ich hatte, waren die Namen und eine Nachricht von Martin auf Facebook. Und sie waren nur Ankunftsfamilie. Ich hatte überhaupt keine Erwartungen, ich dachte, es wäre nur für ein paar Wochen und ich wusste auch nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte, dass sie nur Ankuftsfamilie waren. Und dann war ich da, bei dieser Familie, die den gleichen Humor hat wie ich, mit den Gastschwestern, die die mit denen es einfach passte und nach einer Woche waren sie Jahresfamilie. Das immer noch vorhandene Weihnachtsdeckchen im Wohnzimmer und die allgemeine norwegische Verplantheit waren mir deswegen ziemlich egal. Es fiel mir auf, eigentlich störte es mich auch ein bisschen, aber ich hab es einfach nicht beachtet.
Und die Freunde in der Schule und die Klasse? Wenn ich an die 7. Klasse in Deutschland denke, habe ich damals auch nicht sehr schnell Freunde gefunden und bis heute habe ich nur mit drei Leuten etwas, das man als "Freundschaft" bezeichnen kann, dazu noch einige Freunde in anderen Klasse. Und in Deutschland konnte ich von anfang an ganz normal mit den anderen reden. Kann ich dann hier, nachdem ich die ersten 2 1/2 Monate kein Norwegisch sprach, immer noch nicht perfekt norwegisch spreche, nach 4 1/2 Monaten erwarten, dass ich mit der ganzen Klasse gut befreundet bin und wirkliche, gute Freunde gefunden habe? Wohl eher nicht. Dafür bin ich gar nicht der Typ.
Ich habe eine wunderbare Gastfamilie, drei Geschwister und ein zweites Zuhause bekommen, ich spreche Norwegisch und ich denke, damit kann ich vollkommen zufrieden sein. Der Rest ist schmückendes Beiwerk, hübsch anzusehen, aber nicht notwendig und schliesslich habe ich noch 5 1/2 Monate Zeit, um zu dekorieren.

Ich wünsche euch hiermit einen schönen 4. Advent und frohe Weihnachten!

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