Nach genau 38 deutschen, 40 englischen und einer
norwegischen Führung ist die Guiding-Saison für mich auch schon wieder fast
vorbei. Das letzte Wochenende im August liegt noch in weiter Ferne und morgen
werde ich wieder einmal ein Flugzeug besteigen (wozu bin ich eigentlich
Teilzeitvegetarier, bei dem Treibstoffverbrauch?) und für drei Wochen auf die
Färöer Inseln verschwinden. Mein Koffer ist schon fast gepackt, und wie immer
ist er viel zu groß. Einer der vielen Komplexe, mit denen man sich auseinandersetzen
muss, wenn man Ravna ist, besteht darin, dass das Gepäck immer möglichst klein
sein muss. Mein Unterbewusstsein meint offensichtlich, ein großer Koffer wäre
meinem alternativen Ökoimage abträglich, das unter anderem einen Kleiderschrank
am unteren Rande des Durchschnitts verlangt. Aber bei drei Wochen, Handtücher
und Bettwäsche exklusive, gibt es einfach nicht so viel Spielraum für
Koffergrößenkomplexe.
"Why is the Rosenkrantz tower not in Denmark?" |
Wenig Raum für Komplexe hat man auch als Fremdenführer, und
eigentlich frage ich mich auch immer noch, wie ich 79 Führungen überlebt habe,
wo ich doch sonst monatelange Anlaufzeiten brauche, um auch nur einen Termin
bei der Studienberaterin zu vereinbaren. Aber auch wenn ich letzte Woche einer
Gruppe Schweden erzählt habe, der norwegische König habe im Mittelalter in
Schweden gelebt und trotz meiner äußerst kreativen Umschreibung des Wortes „pork“
mit „Uhm, you know … oink, oink?“, sind es dann doch meistens die Touris, die
für Heiterkeit sorgen. Der erste Preis
für die Schönste Frage der Saison geht dieses Jahr zu gleichen Teilen an
den Engländer mit der giftgrünen Regenjacke, der wissen wollte: "Did the Scots ever try to steal cod from the
Norwegians?" und die nette junge Dame mit dem sächsischen Akzent, die
verwundert fragte, ob nicht der Transport des Stockfischs von Nordnorwegen bis
Bergen viel zu lange dauerte, schließlich mussten die Leute damals doch die
ganze Strecke laufen.
"Do you sometimes feel like a shepherd?" |
Manchmal können sie auch gar nichts dafür, dass der Tourguide die ganzen 90 Minuten in sich hineinlacht. Aber es hat schon etwas, wenn Olivia Colman einem in schönstem Fränkisch von ihrem Weinberg erzählt, und dass der Verfasser der aufgrund von Trunkenheit unlesbaren Runeninschrift sicher auch ihr Mann gewesen sein könnte - oder nein, eigentlich war es wohl doch Lischen Müller.
Und dann sind da noch die Leute, die
man außerhalb der eigentlichen Führungen trifft. Wie die ältere Dame im grünen
Tweedkostüm, die mit einem neugekauften Glas Multebeerenmarmelade in den
Museumsladen kam, und uns darum bat, ebenjenes Glas kurz auf den Thresen
stellen zu dürfen. Es war gerade nicht viel los in der Rezeption und so kamen
wir mit ihr ins Gespräch, das sich bald um die traditionelle Verwendung von
Multebeerenmarmelade in Norwegen drehte. Meine beiden Kolleginnen waren auch
echte Norwegerinnen, und konnten davon berichten, dass gerade zu Weihnachten
Multebeerenmarmelade gerne zusammen mit Sahne in Krumkake gefüllt und gegessen
wird. Da sie im Gegensatz zu mir keine intelligenten Links zu Online-Lexika
einstellen konnten, landeten wir bald bei der zugegeben etwas holprigen
Umschreibung „a kind of cookie“. Unsere Kundin lauschte interessiert, erzählte
selbst, wie sie die Marmelade gerne auf Brot oder zum Backen verwende, bat dann
noch um ein Stück Papier, um das neuerworbene Glas sicher einwickeln zu können,
und machte sich dann auf den Weg Richtung Ausgang. Auf halben Weg drehte sie
sich allerdings noch einmal um und kehrte zu uns zurück: „I’m from London, and
we don’t say „cookie“ – it’s „biscuit“!“ Sprachs und ging ihrer Wege.
"Why is the door not bigger?" |
Ein paar Tage später stand ich vor
einer Gruppe von fünf US-Bürgern, die mich anguckten wie ein Auto, als ich ihnen
etwas von einem „car park“ erzählte, weil sie das wohl nur unter dem Begriff „parking
lot“ kannten, aber angesichts der Tatsache, dass wir direkt vor dem Parkplatz
standen und ich ausladent in dessen Richtung fuchtelte, hätten sie vielleicht
auch einfach mal ein paar graue Zellen anstrengen können.
Und dann gab es da noch die Dame,
die sich plötzlich vor mir aufbaute, als ich von einer Führung kam und auf dem
Weg zurück ins Museum war – und sie hatte so einiges, das sie vor mir aufbauen
konnte! Hände in die Hüften und dann bellte sie mich an: „WO IST HIER EIN
BRIEFKASTEN?“. Ich hatte zwar vorher keinerlei Indikationen gegeben, dass ich
in irgendeiner Weise der deutschen Sprache fähig war, aber angesichts der
Schnelle des Angriffs hätte ich dazu auch gar keine Zeit gehabt. Ich fügte mich
also der Rolle des Kaninchens vor der Schlange. „Ähm, gleich da vorne in der,
in der Nebenstraße, dort wo Sie auch das, äh, das rote Holzhaus sehen können,
mit dem, dem, Sie sehen schon, Weihnachtsladen?“ Ihrem Gesichtsausdruck nach hätte sie mich wohl gefressen, hätte ich mich nicht rechtzeitig weggeduckt.
Deutsche tragen Gore-tex, egal, wie
das Wetter ist.
Amerikaner haben ein zwanghaftes
Interesse an Dachziegeln.
Briten sind leicht glücklich zu
machen – man muss nur einen Witz über Deutsche erzählen.
Norweger stellen niemals Fragen.
Ravna liebt ihren Job. Wirklich. Und jetzt hat sie erstmal
Ferien.
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