søndag 17. august 2014

Føroyar

Wenn man einen Atlas auf der Seite über Nordeuropa aufschlägt und dann ein Dreieick zwischen Island, Schottland und Westnorwegen bildet, findet man fast genau in der Mitte ein kleines Fleckchen aus 18 Inseln. Kinder der Nullerjahre bevorzugen eventuell die Verwendung von Guugell Maps, aber da muss man dann ja nicht einmal mehr wissen, wie man ein Dreieck bildet. 

Diese kleine Fleckchen im Atlas bestehen hauptsächlich aus Steinen, Gras, Schafen und Meer und nennen sich die Färöer Inseln. Sie gehören irgendwie zu Dänemark, aber nicht zur EU, haben ihre eigene Flagge, Fußballmannschaft und Sprache, und wenn man bei einer der bekanntesten Online-Magazine Deutschlands nach ihnen sucht, erhält man hauptsächlich Artikel über Fischfangquoten und WM-Qualifikationsspiele, bei denen Handspiel ausdrücklich erlaubt ist - bei Sturm muss ein Mitspieler beim Elfmeterschießen den Ball festhalten, damit der nicht vorzeitig wegfliegt.
Die Temperatur liegt eigentlich das ganze Jahr über bei 10°C, und nachdem Ravna bereits vor zwei Jahren festgestellt hatte, dass Barcelona im August für Wahlskandinavier einfach unerträglich ist, erschienen ihr ein paar windige Felsen mitten im Nordatlantik als genau das richtige Sommerurlaubsziel. Und da sie dort auch noch eine nordische Sprache mit unregelmäßigen Verben, drei Geschlechtern und vier Fällen haben, inklusive eines dreiwöchigen Sommerkurses in Tórshavn, um sich das Ganze mal aus der Nähe angucken zu können, stand fest, wo Ravna das letzten Sommer verdiente Geld am besten sinnlos anlegen könnte - und nun sind zwei der drei Wochen auch schon wieder vorbei. 

Und bisher war es einfach nur wunderbar. Der Sprachkurs ist vielleicht nicht der beste der Welt - es ist alles sehr nordeuropäisch: "Ach, das ist vielleicht ein kleines bisschen kompliziert - naja, dann kommt es halt auch nicht in der Prüfung dran." und es gibt beinahe mehr Kaffepausen als unregelmäßige Verben, aber Färöisch ist eine äußerst faszinierende Sprache. Und ich wusste nicht, dass das mit den Fällen so kompliziert sein kann! Jetzt verstehe ich langsam, warum Deutsch von außen kompliziert aussieht. Und wir haben plötzlich wieder jeden Tag Unterricht, und Hausaufgaben! Und ich hab sie sogar schon wieder vergessen!
Unter den Teilnehmern ist vom 16-Jährigen mit färöischer Großmutter über die harfespielende amerikanische Glasbläserin und eine beeindruckende Zahl deutsche Skandinavistikstudenten bis zum 60-Jährigen pfeiferauchenden Rentner alles vertreten. Ich wohne mit zwei anderen bei einer netten älteren Dame, jeder hat ein Zimmer, wir können die Küche mitbenutzen und alles fühlt sich beinahe an wie die ersten Wochen des Austauschjahres - wo ist das Sieb, darf ich wirklich einfach an den Kühlschrank gehen, wann kann ich am besten duschen gehen ohne jemand anderen zu stören und ja doch, ich verstehe schon einiges, aber ich traue mich wirklich nicht, auf Färöisch zu antworten.

An den Wochenenden haben wir frei, gestern gab es auch eine von der Uni geplante Exkursion nach Vágar und ansonsten findet sich immer jemand, mit dem man irgendwohin fahren kann - mit der Fähre nach Suðuroy, mit dem Bus nach Vestmanna oder zu Fuß nach Kirkjubøur. Überall Steine, Gras, Schafe, Wolken und Meer, aber überall ist es einfach nur wunderschön.

29 einander völlig unbekannte Leute mit unterschiedlichster Herkunft für drei Wochen auf einer Inselgruppe mit nicht ganz 50.000 Einwohnern zusammenzustecken, ist natürlich auch an sich schon eine faszinierende Erfahrung. Viele sind weiblich, die meisten sind zwischen 20 und 30, einige sind aus Deutschland und ich bin die einzige Deutsche, die nicht Skandinavistik studiert. Die allermeisten sind äußerst lieb, und mit einigen wenigen habe ich auch nach zwei Wochen noch kein Wort gewechselt und andere würde ich gerne auch nach den drei Wochen ab und an einmal wiedersehen. Einige aber auch lieber nicht. Es ist tatsächlich wie in der Schule. Es gibt nicht nur wieder Hausaufgaben und spannende Stunden und sich-dahinziehende-schon-wieder-nur-fünf-Minuten-seit-dem-letzten-Mal-an-die-Uhr-gucken Stunden, sondern es scheint auch all die Leute zu geben, die offensichtlich in allen Schulklassen der Welt in irgendeiner Form vertreten sind. Einen, der anstatt einer Frage immer noch ungefragt die drei folgenden beantwortet. Drei oder vier, die immer und überall zu hören sind. Andere, deren Anwesenheit man nicht einmal bemerken würde, wären sie nicht körperlich anwesend. Eine Person, die immer alles weiß. Und zwar besser. 

Aber wie auch immer, das Land in dem die Pommes Kips heißen, die Busse in der Hauptstadt kostenlos sind und das die höchste Anzahl publizierte Bücher pro Nase aufweist, ist ein schönes Fleckchen und ich hoffe doch, dass ich auf der nächsten Bootsfahrt auch wieder eine SD-Karte in meine Kamera stecke.















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