torsdag 11. juli 2013

Stulle zum Mittag, Sonne am Abend (II)

Für zehn Minuten bekommen meine Füße noch eine Ruhepause hinter der Kasse, bevor auch ich all mein Englisch zusammenkratzen muss, um 20 begeisterungsfähigen Amerikanern ein bisschen Weltkulturerbe zu zeigen.

Genau kann ich natürlich nicht wissen, wie viele Amerikaner unter meinen 20 Verfolgern sind, aber generell sind es überraschend viele. Zwei Mädchen verraten sich nach einigen Metern durch einige deutsche Sätze als Spätaufsteherinnen, die es nicht zur 10:00-Uhr-Tour geschafft haben, und spätestens bei der Erwähnung schottischer Hilfe zum Bau der cirka 850 Jahre alten Marienkirche geben sich auch die ersten Briten zu erkennen. 
Ich bin kein Freund von Verallgemeinerungen und Vorurteilen, aber manchmal steckt ja doch ein Körnchen Wahres darin. Im Gegensatz zu meiner Gruppe deutscher Regenjacken vom Morgen, geht es diesmal recht lebhaft zu. Je älter das Ausstellungsstück, mit desto mehr "Amazing!"-Ausrufen wird es bedacht, es werden mehr Fragen gestellt und der Satz "Oh my God, they all shared one bathroom?" wird mit Abstand Tagessieger.
Ich mag die englischen Führungen. Niemand fragt mich nach dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines deutschen Tischlers, der seit drei Jahren in Norwegen lebt und zwei Kinder und eine Frau mit Heuschnupfen hat, niemand verfolgt mich nach der Führung noch bis auf die Toilette, um mir 100 Kronen in die Hand zu drücken (Geld an sich ist ja ganz nett, aber im Gegensatz zu den Bewohnern des mittelalterlichen Bergens, die Toiletten mit zwei Sitzen nebeneinander bauten, habe ich an gewissen Orten doch ganz gerne meine Ruhe). Ein wenig mehr USA-Erfahrung täte mir allerdings an manchen Stellen ganz gut. Wie reagiert man auf überschwängliche Komplimente zu meinem doch manchmal noch holprigen Englisch, wie erklärt man den Unterschied zwischen Indianern und Samen, ohne eine der beiden Gruppen oder Norweger bzw. Amerikaner europäischer Abstammung dabei schlecht wegkommen, und will sich die Dame, die hinter jedem Satz meinen Namen anhängt eigentlich über mich lustig machen? "Ravna, what is that, Ravna?", "Thank you, Ravna.", "Amazing, Ravna!", "Ravna, ..., Ravna!",  ich denke, meinen Namen werde ich so schnell nicht mehr vergessen.
Die Temperaturen haben abzüglich Wind inzwischen auch die versprochenen 20 Grad erreicht, und mich beschleicht der Gedanke, dass die Frauen des Mittelalters froh sein können, dass die Kunstfaser damals noch nicht erfunden war. Als ich nach 90 Minuten wieder im Museum bin, kann ich mir wenigstens wieder zivile Kleidung anziehen. Am Morgen bin ich in Gummistiefeln gekommen, Schuhe, die man auch bei 20° tragen kann, wollte ich mitnehmen. Die stehen natürlich auch noch zu Hause. Laut Stine passen auch die schwarzen Schuhe, die ich zu meiner Plastiktracht trage, aber nach meinem Gefühl starren nun alle auf die schwarzen Halbschuhe, die so überhaupt nicht zu den halblangen Hosen passen.
14:00 ist Schluss, noch ein Kaffee und dann der für heute letzte Lauf entlang von Bryggen. Diesmal gibt es - trotz der unpassenden Schuhe - keine asiatischen Touristen, die mich mit ihren Kameralinsen einzufangen versuchen. Nach der Busfahrt und dem zehnminütigen Aufstieg nach Hause, finde ich im Briefkasten einen Zettel von der Bank. Nach einem zwanzigtägigen Behördenmarathon bin ich nun schon auf halbem Weg, Zugriff auf mein niegelnagelneues und außerdem völlig leeres Bankkonto zu bekommen - meine Steuerkarte lässt nämlich auf sich warten, und ohne die kriege ich auch erstmal meinen Lohn nicht. Es sei denn, ich hätte Lust, 50% Steuern zu zahlen. Aber das würden dann auch die 100 Kronen von der Toilettenverfolgerin nicht mehr rausreißen.
Die Sonne scheint, das will genossen werden, aber als ich kurz nach zehn in mein Bett fallen will, und die Außenwelt keine Anstalten macht, das Licht auszuknipsen, erscheint mir das Regenwetter der vergangenen zwei Wochen gar nicht mal mehr so schlecht. Und da fragen die Leute, wie man eigentlich mit der Dunkelheit im Winter klarkommt.

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